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Berlin: Schuluniformen: Eine Kluft für die ganze Klasse

Von der Idee zur Realität: Heute geht er los, der Modellversuch, mit dem der Tagesspiegel die Diskussionen in Berlin um das Thema "Schuluniformen" beleben will. Morgens werden fast 300 Kleidungsstücke an die 49 Schüler verteilt.

Von der Idee zur Realität: Heute geht er los, der Modellversuch, mit dem der Tagesspiegel die Diskussionen in Berlin um das Thema "Schuluniformen" beleben will. Morgens werden fast 300 Kleidungsstücke an die 49 Schüler verteilt. Am Mittag präsentieren die Jugendlichen und ihre Klassenlehrer das neue Outfit dann unter anderem den Mitschülern, Direktoren, Schulsenator Klaus Böger und Medienvertretern während einer kleinen Modenschau am Willi-Graf-Gymnasium in Steglitz.

Wie berichtet, ist die 8a von Lehrerin Marianne Strohmeyer eine der beiden Test-Klassen. Die Schüler der 10c kommen mit Lehrer Erich Beyler aus Friedrichshain nach Steglitz, um ihre Ausrüstung in Empfang zu nehmen. Beim Tagesspiegel hatten sich mehrere Dutzend Klassen aller Schultypen und auch einzelne Jugendliche um die Teilnahme an der Testphase bis zu den Sommerferien beworben. Die Sportarena der Galeria Kaufhof am Alex hatte sich bereit erklärt, jeweils zwei Garnituren pro Person gratis bereitzustellen, die Firma Gramberg-Haberstroh beflockte die Schüler-Trikots unentgeltlich mit dem Schul- beziehungsweise Klassenlogo.

Schuluniform - dieser Begriff klingt altbacken, konservativ, verstaubt - und charakterisiert die Kluft der Schüler auch nicht richtig. Gut: Die Klasse 10c aus Friedrichshain sieht in ihren Klamotten schon ein wenig aus wie eine englische College-Klasse. "Ich bin doch ein bisschen stolz darauf", sagte Rico Lehmann, 17, als er für die Fotosession das erste Mal in das weiße Poloshirt, das dunkle Fleeceshirt und die schwarze Bundfaltenhose schlüpft.

Auf den Shirts prangt das Klassenlogo der 10c von der Heinrich-Ferdinand-Eckert-Hauptschule - Vorbild war eine Schülerzeichnung, die aus drucktechnischen Gründen leider nicht eins zu eins übernommen werden konnte. Wie bei der 10c fielen beigefarbene Worker-Hosen, wie man sie derzeit überall sieht, bei der Vorführung in der Klasse durch. Die 8a entschied sich für ein legereres Outfit als die 10c: Jungs und Mädchen einigten sich auf eine dunkelblaue, sportliche Freizeithose, ein hellblaues Polo- sowie ein dunkelblaues Sweatshirt. Auch hier verdeutlicht ein Aufdruck an der Brust: Wir kommen von der Willi-Graf-Schule. Lisa Bleimling, 14 Jahre: "Ich fühle mich irgendwie freier in den Sachen, die sitzen so schön locker, irgendwie ein gutes Feeling."

Jeden Tag das Gleiche anziehen, jeden Tag womöglich die gleichen dummen Sprüche hören - der Test wird nicht leicht für die Probanden, die optisch aus dem Rahmen fallen. "Auch wenn die anderen mit dem Finger auf uns zeigen sollten - mit meinem Freundinnen habe ich schon besprochen: wir halten zusammen", sagt Lisa. Ob das gleiche Outfit ohne Markenlabel-Angeberei auch die Schüler der unterschiedlichen Cliquen zusammenschweißt? Oder wiegt der Verzicht auf individuelles Ausdrucksvermögen schwerer als das erhoffte neue Gemeinschaftsgefühl? Nach dem Test werden alle schlauer sein.

Die Idee zur Klamotten-Aktion wurde Anfang März geboren, als der Tagesspiegel über das Berliner Pendant in Hamburg berichtete. Auch dort trägt eine einzelne Klasse eine eigene Kluft - aber nur oben herum. Bekanntlich tragen in Berlin und Potsdam Kinder der internationalen und britischen Schulen Schulkleidung. Doch von einem Tag zum anderen als einzige an der Schule auf Insignien und Markenklamotten verzichten, mit denen sich einige über andere erheben, nur weil die Eltern über mehr Geld verfügen - das gab es in Berlin noch nie. Pro Schuluniform hatten sich zuletzt unter anderem Gregor Gysi, Landeselternsprecher Peter Schmidt und die Deutsche Polizeigewerkschaft ausgesprochen. Contra äußerte sich sich etwa Landesschulsprecher Marvin Simmons.

Des Schülers neue Kleider - mit den jüngsten Äußerungen der Kanzlergattin über strengerere Erziehungsideale hat die Aktion jedenfalls nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Annette Kögel

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