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Berlin: Schulversagen kein Grund für Abschiebung Europäischer Gerichtshof fällt Urteil

Türkischen Schulabbrechern mit der Ausweisung zu drohen, verstößt gegen europäisches Recht. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden (Aktenzeichen C-453/07).

Türkischen Schulabbrechern mit der Ausweisung zu drohen, verstößt gegen europäisches Recht. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden (Aktenzeichen C-453/07). Somit ist auch die neue Praxis der Berliner Ausländerbehörde rechtswidrig, türkischen Jugendlichen die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu verweigern, wenn sie die Schule schwänzen, keinen Abschluss erworben haben oder sich nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen. Die Behörde hatte vor einigen Monaten entsprechende neue „Anwendungshinweise“ zum Aufenthaltsgesetz vorgelegt, über die sich Politiker und Menschenrechtsorganisationen empörten.

Dem Urteil des EuGH liegt der Fall eines 23-jährigen Türken aus Hessen zugrunde. Der Sohn eines türkischen Gastarbeiters ist in Deutschland aufgewachsen, hat die Schule mit 16 Jahren ohne Abschluss verlassen und ist seitdem ohne Arbeit. Hessen weigerte sich, seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Die Luxemburger Richter verweisen auf das Assoziationsabkommen mit der Türkei, das festlegt, dass Kindern türkischer Gastarbeiter freier Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt werden muss. Das Aufenthaltsrecht könne lediglich eingeschränkt werden, wenn jemand eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle. „Hat ein Jugendlicher mit 23 Jahren noch immer keine Beschäftigung, verliert er deshalb nicht sein Aufenthaltsrecht“, heißt es in dem Urteil. Ohne Aufenthaltsrecht könne er keine Beschäftigung aufnehmen und sich auch nicht besser integrieren.

„Das Urteil zeigt, dass die Berliner Ausländerbehörde gegen europäisches Recht verstößt“, sagt Bilkay Öney, die migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus. „Innensenator Körting ist aufgefordert, die umstrittenen Anwendungshinweise der Ausländerbehörde zurückzunehmen“.

Die Richter hätten über einen Einzelfall in Hessen entschieden, das habe nichts mit Berlin zu tun, heißt es in der Innenverwaltung. Die Ausführungsvorschriften der Ausländerbehörde würden mit dem deutschen Aufenthaltsgesetz übereinstimmen. Die Berliner Ausländerrechtsexpertin Berenice Böhlo sieht das anders: „Die deutschen Gerichte müssen sich an das EuGH-Urteil halten, das ist sehr wohl bindend für Berlin.“ Innensenator Körting (SPD) sei bereit, die umstrittene neue Verordnung zu verändern, wolle aber den SPD-Parteitag am Wochenende abwarten, sagen Eingeweihte. Claudia Keller

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