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Berlin: Schusssichere Westen für die Berliner Polizei: Ein Beamter der Beschaffungsstelle soll sich bei der Auftragsvergabe bereichert haben

Rechtsanwalt Gerhard Jungfer streicht sich das weiße Haar aus der Stirn und schüttelt aufgeregt den Kopf. Seine Wut ist keineswegs gespielt.

Rechtsanwalt Gerhard Jungfer streicht sich das weiße Haar aus der Stirn und schüttelt aufgeregt den Kopf. Seine Wut ist keineswegs gespielt. "Verantwortlich sind Diejenigen, die die Westen bestellt haben", ruft der Strafverteidiger, und die Richter und Schöffen der Abteilung 216 des Amtsgerichts Tiergarten hören zu. Direkt neben dem gewichtigen, dominanten Anwalt sitzt der Angeklagte: Der ehemalige Beamte aus der Beschaffungsstelle der Polizei soll einer Firma in Niedersachsen den Auftrag für schusssichere Westen im Wert von 1,3 Millionen Mark zugeschanzt haben.

Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass sich der Mann dafür Freiflüge und Hotelkosten im Wert von 5000 Mark bezahlen ließ. Zehn Reisen sollen es gewesen sein. Doch der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe.

Entscheidend für die Verteidigung ist der 6. November 1993. An diesem Tag trat bei der Polizei eine Kommission zusammen, die sich mit der Beschaffung neuer Sicherheitswesten befasste. In der Chefetage des Polizeipräsidiums waren die Weichen bereits 1983 gestellt worden. Damals entschied man grundsätzlich, dass die Westen von der Firma aus Niedersachsen beschafft werden sollen. Doch nach Darstellung der Verteidigung war der Angeklagte bei dieser Sitzung gar nicht anwesend.

So ist es kein Wunder, dass Verteidiger Jungfer laut wird. Sein Mandant sei "ein einfacher Indianer" gewesen, der gar nichts entschieden habe, ruft der Anwalt. "Das waren die Häuptlinge." Einer der "Häuptlinge", der frühere Vorgesetzte, betritt den Zeugenstand. So richtig kann sich der Chef nicht mehr erinnern, denn er ist nach eigenen Worten seit zwei Jahren im Sonderurlaub. "Er war mein Sachverständiger für technische Dinge", sagt der braungebrannte Mann und zeigt auf den Angeklagten. Der fühlt sich bestätigt. Am Morgen hat er seinen Anwalt erklären lassen, er sei Techniker gewesen, ein Ingenieur in Diensten der Polizei, aber nicht Beschaffer.

Zeuge Nummer zwei war seit 1980 Sachbearbeiter in der Beschaffungsstelle, zuletzt sogar Hauptsachbearbeiter. Der 60-Jährige ist inzwischen pensioniert und kann sich auch nicht mehr hundertprozentig erinnern. Doch es gibt Akten, in denen steht, was er vor Jahren bei seiner Vernehmung durch die Polizei gesagt hat: "Herr S. wies die Sachbearbeiter an, Westen der Firma S. zu beschaffen". So will der Zeuge das vor Gericht nicht stehen lassen. "Herr S. hat die technischen Parameter beurteilt. Der Beschaffer hat die Summe dafür in den Haushalt eingestellt", sagt er.

Ein weitere Kollegin betritt den Zeugenstand. Die 58-Jährige bestätigt, dass der Angeklagte 1993 in seiner Funktion als "technischer Berater" den Auftrag hatte, Angebote anderer Hersteller von Sicherheitswesten einzuholen. Er habe aber angeordnet, ausschließlich bei der Firma in Niedersachsen zu bestellen. Das sei zwar ein Verstoss gegen die Landeshaushaltsordnung, aber nicht automatisch verdächtig, denn die Bestellungen der Schutzpolizei hätten häufig den Wunsch enthalten, "die erprobten Westen der Firma S." zu ordern. Was einmal erprobt ist, ändere die Polizei nicht gern, sagt die Zeugin. Eine Ausschreibung habe es nicht gegeben.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Michael Brunner

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