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Berlin: Schwache Leistung: Gymnasien müssen jeden Schüler nehmen Nach Pisa sollen die Oberschulen ihr Niveau steigern –

doch tausende ungeeigneter Siebtklässler gefährden das Ziel

Von Susanne Vieth-Entus

Die Berliner Gymnasien geraten in eine immer schwierigere Situation: Einerseits sollen sie möglichst leistungsstarke Schüler ins Abitur bringen – eine Folge von Pisa. Andererseits bekommen sie durch laxe Aufnahmebedingungen weiterhin tausende ungeeigneter Siebtklässler von den Schulämtern zugewiesen. Deshalb wollen nun immer mehr Rektoren und Lehrer das Elternwahlrecht einschränken. Zugleich fordern sie, die Kinder „nichtdeutscher Herkunftssprache“ gleichmäßiger auf die Schulen zu verteilen. Denn unter den angehenden Gymnasiasten sind viele mit schlechten Deutschkenntnissen.

In diesem Jahr hat es die Gymnasien besonders hart getroffen. Infolge neu konzipierter Grundschulgutachten (siehe Kasten) erhielten noch knapp 1000 Kinder mehr als sonst eine Empfehlung für die begehrteste Schulform. Hinzu kommt das freie Elternwahlrecht, das es beispielsweise in Bayern nicht gibt. Infolge dessen haben Berlins Gymnasien kaum Möglichkeiten, schwache Schüler abzuweisen. Selbst wenn sie schon im Anmeldegespräch merken, dass der Schüler keinen fehlerfreien Satz sprechen kann, sind den Schulleitern die Hände gebunden: Sie müssen alle Schüler aufnehmen, solange sie freie Kapazitäten haben.

Alles Übrige muss das Probehalbjahr „richten“, in dessen Verlauf je nach Schule bis zu 25 Prozent scheitern. Eigentlich müssten es noch mehr sein. Aber da man die Probezeit unter Umständen mit drei Fünfen bestehen kann, kommen ungeeignete Schüler durch, die dann in Laufe der nächsten Jahre in einem mühseligen Ausleseprozess scheitern.

Unter ihnen sind auch viele mit unzureichenden Sprachkenntnissen. Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall appelliert deshalb an die Bezirke, die Kinder nichtdeutscher Herkunft möglichst gleichmäßig auf die Schulen zu verteilen. Und er verweist auf die Robert-Blum-Oberschule in Schöneberg, die es trotz einer höheren Zahl problematischer Schüler geschafft habe, das Niveau zu halten.

Aber gerade die Robert-Blum-Oberschule weiß nicht mehr weiter. Bisher lag hier der Anteil ausländischer Kinder bei 25 Prozent. Damit habe man noch gut zurechtkommen können, betont Schulleiter Martin Kraschewski. Dieses Jahr aber stieg die Quote unter den Siebtklässlern auf 60 Prozent, und die Lehrer fragen sich, wie sie mit einem solchen Jahrgang das Gymnasialniveau halten sollen. Sie trauen sich wohl zu, einzelne „schwierige“ Fälle zu bewältigen. Nicht aber eine solche Menge, und dazu in Klassen mit 32 oder mehr Kindern. „Ein Grauen“ sei das Probehalbjahr in einer solchen Klasse, sagt ein Lehrer. Schulleiter Kraschewski fordert jetzt, dass ausländische Schüler „gerechter“ auf Gymnasien verteilt werden. Dies schlägt auch der Philologenverband vor.

Aber das ist nicht so einfach. Denn erstens gibt es keine gesetzliche Grundlage für eine solche Quote. Und zweitens ist in den Citybezirken kaum noch was zu verteilen. In Kreuzberg oder Neukölln-Nord etwa gibt es nicht mehr genügend deutsche Muttersprachler unter den Siebtklässlern, um den Ausländeranteil unter den Schulen auszugleichen.

„Die Lehrer sind oft verzweifelt“, sagt die Leiterin der Albrecht-Dürer-Oberschule in Neukölln, Urte Schoenwälder. Im vergangenen Jahr scheiterte von ihren Siebtklässlern mehr als jeder Vierte im Probehalbjahr. Der hohe Anteil an schwachen Schülern sei „so belastend“ gewesen, dass das Lerntempo verlangsamt wurde. Somit habe man das Pensum kaum schaffen können. Urte Schoenwälder zweifelt deshalb am Elternwahlrecht.

Beim Landesschulbeirat wird hingegen vehement dafür gestritten. Die Vorsitzende Elisabeth Willkomm setzt darauf, dass „in der Grundschule besser beraten wird“. Die „Extremfälle“ in Schöneberg, Neukölln oder Kreuzberg dürften nicht als Argument für die Abschaffung des Elternwahlrechts herhalten, warnt sie. Der Philologenverband forderte unterdessen wieder gemeinsame Anmeldetermine für alle Gymnasien. Denn zur Zeit dürfen sich Gymnasien mit besonderem Profil die besten Schüler schon zwei Wochen vorher aussuchen. Man komme der Aufspaltung in Gymnasien erster und zweiter Klasse immer näher, heißt es.

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