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Die Stadt lockt. In Wohngebieten finden Wildschweine ihre Nahrung oft leichter als in den Wäldern – zumal viele Berliner sie illegal füttern und Hauseigentümer in den Randbezirken ihre Grundstücke häufig unzureichend sichern.

© imago stock&people

Wildschweinplage: Schweine am Ku’damm

Umgepflügte Beete, geplünderte Mülltonnen – Schwarzwild erobert die Stadt. Eine Expertenrunde stellte fest: „Wir müssen mit den Tieren leben“,

Umgepflügte Beete, geplünderte Müll- und Komposttonnen und Rotten, die sich in Vorgärten tummeln – solche Erlebnisse mit Wildschweinen haben längst nicht mehr nur die Bewohner der Außenbezirke. Es sei keine Seltenheit, dass die Tiere an einem Tag 15 Kilometer weit in die Innenstadt laufen, sagt Rainer Altenkamp, Vize-Vorsitzender des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) in Berlin. Und da es in Berlin immer mehr Schwarzwild gibt – Altenkamp schätzt den Bestand auf etwa 10 000 –, wird auch zunehmend über den Umgang damit in der Stadt diskutiert.

Am gestrigen Donnerstag, den 24. Februar, gab es eine von der FDP beantragte Anhörung im Umweltausschuss Charlottenburg-Wilmersdorf. Einig waren sich Experten in einer zentralen Aussage: „Wir müssen mit den Wildtieren leben.“ Hauseigentümer in Waldnähe sollten weniger nach Jägern rufen, sondern zuerst ihre Grundstücke sichern. Bei Zerstörungen gebe es keinen Schadensersatzanspruch, sagte der Leiter des Forstamts Grunewald, Elmar Kilz: „Wilde Tiere sind herrenlos.“ In Charlottenburg gibt es Wildschweine zum Beispiel im Volkspark Jungfernheide, Rotten streifen laut Anwohnern auch durch Eichkamp und Westend. Selbst am Kurfürstendamm werden die Tiere manchmal gesichtet.

Unter dem Titel „Den Vormarsch der Wildschweine in die Stadt stoppen“ hat die Berliner FDP eine Kampagne gestartet und einen Antrag im Abgeordnetenhaus gestellt, über den laut Vize-Fraktionschef Sebastian Czaja aber noch nicht diskutiert wurde. Die Anhörung in der City West zeigte nun, dass Fachleute nur wenige Maßnahmen für sinnvoll halten.

Die Liberalen fordern, dass die ehrenamtlichen „Stadtjäger“, die Wild in Wohngegenden erlegen dürfen, „kostendeckend entschädigt“ werden und nachts Lampen benutzen dürfen – was das Jagdrecht bisher nicht erlaubt. Ulrich Grasser, Präsident des Landesjagdverbands, wandte sich jedoch gegen militärische Nachtsichtgeräte. Diese seien störanfällig und 5000 bis 12 000 Euro teuer. Denkbar sei nur eine Ausnahmeerlaubnis, die es den 30 Stadtjägern gestatte, Lampen an ihren Waffen zu befestigen. Generell habe Wild aber „eine Daseinsberechtigung“, sagte Grasser und riet zu „mehr Gelassenheit“.

Ähnlich sah es Kilz, der Tipps zum Fernhalten von Wildtieren zusammenfasste. Leider werde das Fütterungsverbot ständig ignoriert, obwohl dies bis zu 5000 Euro kosten könne. So füttere ein „notorischer und mehrfach verurteilter“ Arbeitslosengeldempfänger regelmäßig Wildschweine an der Havelchaussee. Hausbesitzer sollten Abfallbehälter sicher verschließen und stabile Metallzäune sowie selbst schließende Tore installieren.

„Die Bestände schwanken stark“, sagte Kilz. Seit Jahresbeginn wurden in den Wäldern bereits 700 Wildschweine erlegt, während es im gesamten Vorjahr nur 967 waren. Mit dem Eindringen der Tiere in die Wohngebiete gehe Berlin „nicht professionell um“, kritisierte Kilz. Die Freiwilligen seien nicht einmal versichert für den Fall, dass sie Schäden anrichten. Zudem sei es „ein Unding“, dass ihre einzige erlaubte Einnahmequelle die Tierkörperverwertung sei. Dies habe dazu geführt, dass Stadtjäger Rotten in innerstädtischen Grünanlagen pflegten, um das Fleisch zu verkaufen. Verbandschef Grass wies dies zurück: „Stadtjäger mästen keine Wildschweine.“

Die Experten nannten ein weiteres Problem: Stadtjäger dürfen auf Privatgelände nur schießen, wenn der Eigentümer es erlaubt. In der Praxis gehe es aber oft um Grundstücke mit Häusern verschiedener Besitzer. Daher fordert die FDP, in betroffenen Gegenden „unaufgefordert Zustimmungserklärungen“ an alle Immobilienbesitzer zu versenden.Cay Dobberke

Informationen online:

www.stadtentwicklung.berlin.de/forsten/wildtiere

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