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Schweinegrippe: Senat und Impfstoff-Hersteller beschuldigen sich gegenseitig

Der Pharmakonzern, der den Schweinegrippe-Impfstoff herstellt, kritisiert die zögerliche Verteilung des Serums. Die Logistik in Berlin soll sich jetzt durch den Einsatz weiterer Fahrzeuge verbessern.

Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat am Mittwoch die schlechte Versorgung vieler impfberechtigter Ärzte mit der geringeren Zahl der gelieferten Impstoffdosen begründet. In Berlin sind dem Senat zufolge 168 000 Dosen angekommen – bis Montag waren davon 36 800 ausgeliefert worden. Zu dem Engpass kam es aber offensichtlich dadurch, dass nur eine einzige Apotheke mit der Auslieferung des Impfstoffes in ganz Berlin beauftragt wurde. Nach Angaben der Senatsgesundheitsverwaltung verfügt diese als einzige über eine „Herstellererlaubnis“, den in großen Packungen ausgelieferten Impfstoff in kleinere Dosen aufzuteilen. Die Apotheke setze nun zusätzliche Lieferfahrzeuge ein.

Der Hersteller des Impfstoffes, Glaxo-Smith-Kline (GSK), bestreitet seine Verantwortung für Lieferengpässe: „Wir liefern absolut gemäß der wöchentlichen und verbindlich übermittelten Liefermengen“, sagte Konzernsprecher Markus Hardenbicker. Allerdings sei „immer klar“ gewesen, dass die wöchentliche Produktionsmenge „schwanken kann“. GSK reicht den Schwarzen Peter weiter: Das Unternehmen sei nicht für Logistik und Verteilung des Impfstoffs in den Ländern verantwortlich. Die dort „möglicherweise verursachten Engpässe liegen nicht in unserer Macht“, sagte Hardenbicker.

Die Ärztekammer kritisierte das „nicht tragfähige Konzept“ des Senats. Eine zentrale Apotheke mit der Versorgung von vielen „dezentralen Impfstellen“ bei niedergelassenen Ärzten zu beauftragen, reiche für die Millionenstadt nicht aus, sagte Sprecher Sascha Rudat. Der Engpass wäre allerdings genauso groß gewesen, wenn der Senat sich mit der Kassenärztlichen Vereinigung geeinigt hätte: „Dann hätten 2000 Ärzte auf einmal beliefert werden müssen“, sagte er.

Um schneller mehr Menschen zu impfen, schlägt Rudat die Einbindung von Kliniken und der Kinderärzte vor. Diese könnten an einzelnen Tagen freiwillig impfen. „Auf der aktuellen Liste des Senats sind zurzeit nur eine Handvoll Kinderärzte“, so Rudat. Kinder ab sechs Monaten sollen Experten zufolge so rasch wie möglich geimpft werden.

Die Impfung der Kinder war auch Thema eines Treffens von Senat und Verband der Kinder- und Jugendärzte gestern: Jeweils mittwochs soll in den bezirklichen Gesundheitsämtern eine Sprechstunde eingerichtet werden, in der chronisch kranke Kinder von den niedergelassenen Ärzten unentgeltlich geimpft werden können. Eine Einigung darüber könnte es bereits am heutigen Tag geben.

Einen Überblick über die Zahl der Erkrankungen in Schulklassen und Kindergartengruppen gibt es beim Senat nicht. Infizierte Kindern würden nach Hause geschickt und bleiben dort einen Tag bis zur Fieberfreiheit, sagte die Amtsärztin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Claudia Kaufhold. Seit es die Ärzteliste gebe, habe sich die Lage im Bezirk entspannt. Auch der Andrang von Schlüsselpersonen, die im Gesundheitsamt geimpft werden, lasse nach. Der Bezirk sei schon zum dritten Mal ohne Verzögerung mit Impfstoff beliefert worden.

Besonders gefährdet sind Krankenhausärzte und Personal. Ihnen bleibt es freigestellt, ob sie sich immunisieren lassen. Bei den Vivantes-Kliniken impfen zehn Betriebsärzte die Angestellten, so Sprecher Uwe Dolderer. „Vivantes hat bereits Impfstoff nachbestellt und erhalten. Es gibt keinen Impfstoffengpass“.

Beim Robert-Koch-Institut hieß es: „Die Fallzahlen steigen“, so Sprecherin Susanne Glasmacher. Wie schwer die Grippe verlaufen werde, lasse sich nicht voraussagen. „Aber man kann auch an einer schwachen Welle sterben.“ Weil der Virus neu sei, gebe es kaum Immunität bei der Bevölkerung und eine höhere Ansteckungsgefahr.

Bei der Berliner Polizei beginnen die Impfungen am Montag. Ein Sprecher sagte, die Behörde empfehle ihren rund 28 000 Beschäftigten die Immunisierung. Auch bei der BVG wollen die Betriebsärzte impfen, sie warten aber noch auf das Serum. Die BVG empfiehlt ihren Beschäftigten jedoch, zuvor die Hausärzte zu kontaktieren. Bei der BSR, der Post und Siemens wird der Belegschaft keine Impfung durch Betriebsärzte angeboten.

Auf Antrag der CDU-Fraktion gibt es im Abgeordnetenhaus heute eine aktuelle Stunde zur Schweinegrippe.

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