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Schweinegrippe: Späterer Schulstart in Berlin nicht ausgeschlossen

Steigt die Zahl der Schweinegrippe-Fälle weiter an, kann das Land nach dem Pandemie-Plan auch zu drastischen Maßnahmen greifen.

Die Zahl der Schweinegrippe-Fälle in Berlin steigt kontinuierlich: Am 3. Juli waren neun H1N1-Infektionen bekannt, einen Monat später sind es schon 183 Fälle. Ohne Prophylaxe oder Impfungen könnte sich im schlimmsten Fall jeder zweite Berliner anstecken. Nach vorsichtigen Schätzungen gehen Experten aber von etwa 510 000 Fällen in Berlin während der Pandemie aus: Das wären 15 Prozent der Bevölkerung. Schließungen von Schulen und Kitas sind bei einer hohen Erkrankungsrate nicht ausgeschlossen: „Das werden wir vor Ende der Ferien am 28. August entscheiden“, sagte Marie-Luise Dittmar, Sprecherin der Senatsgesundheitsverwaltung.

Unmittelbar vor Schulbeginn am 31. August sollen Informationsschreiben zu möglichen Risiken an alle Schul- und Kitaleitungen verschickt werden. So verfahren auch andere Länder wie zum Beispiel Niedersachsen. Dort erhielten Kitas und Schulen Ende vergangener Woche Informationsschreiben per E-Mail über Verhaltensmaßregeln und Vorsichtsmaßnahmen. Laut eines Sprechers des Gesundheitsministeriums kann das jeweilige Gesundheitsamt des Kreises oder der Stadt die Schließung einer Einrichtung anordnen. Kurzfristig will auch eine Pandemie-Expertenkommission in Nordrhein-Westfalen entscheiden, ob der Schulunterricht verspätet starten wird: Genau eine Woche vor dem regulären Schulbeginn am 17. August wird eine Runde aus Wissenschaftlern, Praktikern und Mitarbeitern im öffentlichen Gesundheitsdienst ihr Votum abgeben.

In Berlin gebe es „aus jetziger Sicht“ zwar keinen Anlass, über Schul- oder Kitaschließungen nachzudenken, sagte Dittmar. Doch im landesweit gültigen „Rahmenplan Influenza-Pandemie“ sind solche Maßnahmen „in Abhängigkeit von der epidemiologischen Situation“ nicht ausgeschlossen. Konkrete Angaben, bei welchen Erkrankungszahlen Gemeinschaftseinrichtungen geschlossen werden, sind gegenwärtig aber nicht möglich.

Die Experten warnen angesichts des zunächst überwiegend milden Krankheitsverlaufs vor einer Panikmache. Doch zu einer ersten Belastungsprobe für die Behörden könnte die in knapp zwei Wochen beginnende Leichtathletik- WM mit vielen Besuchern aus aller Welt führen. Die Wettkämpfe finden vor allem im Olympiastadion in Charlottenburg- Wilmersdorf statt. Der Bezirk hat wie alle anderen Berliner Bezirke schon seit Bekanntwerden der Vogelgrippe vor Jahren Koordinierungsstäbe eingerichtet, die zum Beispiel für die Durchführung von Schutzimpfungen oder die Einhaltung von Hygienevorschriften in Krankenhäusern verantwortlich sind. Sogenannte Quarantäne-Quartiere in örtlichen Krankenhäusern könnten kurzfristig eingerichtet werden, sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) dem Tagesspiegel.

Ein Impfstoff gegen Schweinegrippe wird in Berlin „frühestens Ende September“ erwartet, sagte Behördensprecherin Dittmar. Ungeachtet der möglicherweise schwerwiegenden Nebenwirkungen, vor denen Arzneiexperten wie berichtet derzeit warnen, obliegt es den Ländern, die Rahmenbedingungen für Impfwillige zu schaffen. Denn: „Einen Impfzwang gibt es nicht“, betonte Dittmar. Am 12. August will das Bundeskabinett eine Rechtsverordnung über eine möglichst einheitliche Strategie beschließen. Völlig offen sind folgende Fragen: Welche Behörde übernimmt Impfungen für welche Personengruppe? Können sich Schwangere oder chronisch Kranke an die niedergelassenen Ärzte wenden, werden Polizisten oder Feuerwehrleute in den Gesundheitsämtern geimpft? Und was ist mit medizinischem Personal, das nicht in Krankenhäusern arbeitet, die ihre Beschäftigten impfen lassen? Ebenfalls noch nicht geklärt ist die Kostenübernahme durch die Krankenkassen.

Das Land Berlin hält sich mit konkreten Aussagen bedeckt. „Wir werden darüber rechtzeitig vor Beginn der Impfsaison informieren“, sagte Dittmar. Zuvor werde man sich mit dem Robert-Koch-Institut und dem Landesamt für Gesundheit und Soziales „eng beraten“.

 Sabine Beikler

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