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Berlin: Schwere Finanzkrise: Der Kardinal muss um seinen Job fürchten

Sehenden Auges in die Katastrophe – wie Georg Sterzinsky den Rückhalt bei seinen deutschen Amtskollegen verspielte

Kardinal Georg Sterzinsky gerät unter wachsenden Druck, wegen der in Deutschland beispiellosen Finanzmisere des Erzbistums Berlin auch persönliche Konsequenzen zu ziehen. Die katholische Bischofskonferenz wird sich auf ihrer Frühjahrstagung vom 10. bis 13. März in Freising mit der Lage in Berlin und dem Schuldenberg von 148 Millionen Euro beschäftigen, Geldzusagen wahrscheinlich an harte Bedingungen knüpfen. Das Gremium verlangt auch, dass der Ende 2002 ausgeschiedene Finanzdezernent des Erzbistums, Clemens Graf von Waldburg-Zeil, dort Rede und Antwort steht.

Viele vor allem westdeutsche Bischofskollegen trauen dem Berliner Oberhirten Sterzinsky offenbar nicht zu, die Sanierungsphase durchzustehen. Auch machen sie dem ostdeutschen Kardinal zum Vorwurf, er habe – wie in einem Interview zugegeben – seit zehn Jahren gewusst, „dass wir über unsere Verhältnisse leben“, und sei sehenden Auges in die Katastrophe gelaufen. Auch die Entscheidung Sterzinskys kurz vor Weihnachten, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Berliner Kirchenzeitung einzustellen und aus dem nordwestdeutschen Kirchenzeitungsverbund auszusteigen, hat unter den Bischöfen Unmut ausgelöst.

Am Verbund beteiligt ist auch das Bistum Mainz, das vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, geführt wird. Stattdessen wurde die Berichterstattung über das Erzbistum Berlin in die Hände eines Augsburger Verlegers gelegt. Der Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff, dessen Erzdiözese vermutlich einen beträchtlichen Teil der Berliner Schulden ausgleichen muss, hatte in einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärt, „die Situation, wie sie in Berlin entstanden ist, wäre nicht notwendig gewesen“. Das Bistum habe viel zu viele Mitarbeiter. Hinter den Kulissen werden zwei Szenarien überlegt. Möglich wäre, dass die Bischofskonferenz im Zusammenspiel mit der Nuntiatur in Berlin dem Erzbistum einen Sanierer mit weitreichenden Vollmachten vorsetzt – beispielsweise Norbert Feldhoff. Das käme einer faktischen Entmachtung von Sterzinsky gleich. Denn Feldhoff hätte für die nächsten Jahre bei allen Entscheidungen, soweit sie Geld kosten, das letzte Wort – eine völlig unübliche und starke Demütigung für den Berliner Oberhirten. Nach dem Kirchenrecht ist ein Bischof in seiner Diözese relativ autark. Bei einem deutschen Kardinal ist eine solche Maßregelung noch nie vorgekommen. Das andere Szenario wäre ein Wechsel des Mainzer Kardinals Lehmann nach Berlin. Mit einer solchen Lösung regelte die deutsche Bischofskonferenz gleich zweierlei: Der angesehene Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz würde die katholische Präsenz in der Hauptstadt stark aufwerten und hätte gleichzeitig das größte Problembistum Deutschlands unter seiner Regie. Für den 66-jährigen Lehmann würde dies allerdings die Gefahr bergen, bei der anstehenden radikalen Sanierung in jahrelange unerquickliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden.

Eine Entscheidung über einen Rücktritt des gesundheitlich angeschlagenen Kardinals wird nach Einschätzung von Kirchenkreisen nicht vor dem ökumenischen Kirchentag Ende Mai fallen. Sterzinsky selbst hat persönliche Konsequenzen bisher ausgeschlossen.

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