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Berlin: Sechs Jahre Haft für Attacke im BVG-Bus

Im Dezember hat der 18-jährige Oliver B. einen Gleichaltrigen erstochen – um seinen Mut zu beweisen

Als der 18-jährige Oliver B. in dem Bus der Linie 167 das Küchenmesser zog, hatte ihn niemand provoziert oder bedroht. Er rammte Jan R. die 20 Zentimeter lange Klinge durch die Brust in das Herz. Einfach so. Er wollte zeigen, dass er sich traut. Jan R., 18, starb noch im Bus.

Gestern wurde Oliver B. wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Drei Tage hatte das Gericht Beweise aufgenommen, jedes Mal war die Mutter des toten Jungen zugegen, saß ganz in Schwarz gekleidet mit im Saal. Oliver B. hat sich bei der Familie für das, was er getan hat, entschuldigt. Aber die Mutter hat ihm das nicht abgenommen. Sie habe den Eindruck, sagte sie nach dem Urteil, dass es ihm nur darum gegangen sei, „sich irgendwie herauszuwinden“. Erst die Zukunft werde zeigen, „ob da wirklich Reue ist“. Das Gericht sah das anders und wertete seine „deutliche Betroffenheit und Reue“ als strafmildernd. In anderen Punkten glaubte das Gericht dem Angeklagten aber nicht: etwa B.s Aussage, er habe „nur den Arm“ treffen wollen und nicht die Brust. Die Richter kamen dagegen zu der Überzeugung, dass B. „aus nichtigem Anlass mit großer Wucht gezielt in die Brust gestochen“ habe.

Es war der Abend des 19. Dezember 2005, Oliver B. war mit zwei Freunden ziellos unterwegs. In Rudow stiegen sie mit ein paar Flaschen Bier in den Bus Richtung Köpenick. Wenige Minuten später setzten sich Jan R. und seine Freundin in ihre Nähe, die beiden kamen von einer Weihnachtsfeier, wollten nach Hause. Nick, einer der drei jungen Männer, pöbelte die Freundin des Oberschülers an, was Jan R. sich verbat. Nick fuchtelte mit einer Bierflasche herum. Jan nahm sie ihm ab. Das war für Oliver B. der Punkt, an dem er sein Messer aus dem Rucksack nahm. An der Haltestelle Spindlersfeld sprang er auf. Jan R. sah das Messer. Er wies auf die Videokameras im Bus. „Stich doch zu, du traust dich ja doch nicht“, sagte er noch.

Im Prozess sagt Oliver B. später, dass er vor den anderen nicht als feige dastehen wollte. Dieses Sich-beweisen-Müssen begleite ihn schon länger. Der Realschüler ist wohl behütet aufgewachsen, schloss die Schule ab, schmiss dann aber eine Tischlerlehre. Die Zeit danach beschrieb er selbst als „Leerlauf“. Er zog mit Freunden umher, trank und nahm Drogen. Es ärgerte ihn, dass er kaum Alkohol vertrug und von der Clique gehänselt wurde. Er schluckte Ecstasy-Pillen, um beim Trinken durchzuhalten.

Auch an jenem Abend hatte Oliver B. einen „wüsten Drogencocktail“ intus, wie der Vorsitzende Richter sagte. Unter diesem Einfluss habe er die Situation bedrohlicher empfunden, als sie war. Der Angeklagte habe aber gewusst, dass er unter Rauschmitteln unberechenbar reagieren kann, deshalb wurde das nicht strafmildernd gewertet. In der Haft besucht Oliver B. nun Bibelstunden. Und er will eine neue Ausbildung beginnen.

Kerstin Gehrke

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