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Berlin: Senat gibt Straßen für die Radler frei

Die Benutzungspflicht für Radwege wird nach der Niederlage vor Gericht nicht mehr weiter verteidigt

Von Jörn Hasselmann

und Volker Eckert

Der Senat will gegen das Radweg-Urteil des Verwaltungsgerichts nicht in Berufung gehen. Das sei aussichtslos, hieß es gestern in der Verkehrsverwaltung. Nun werden demnächst wohl noch mehr Radfahrer auf den Straßen fahren. Wie berichtet, war die Benutzungspflicht von Radwegen auf mehreren großen Straßen für rechtswidrig erklärt worden. Begründung: Die Radwege seien zu schmal, zu schlecht und deshalb zu gefährlich. In Zukunft sollen Radler überwiegend eigene Spuren auf der Fahrbahn erhalten – das ist sicherer und billiger, kündigt die Verkehrsverwaltung an.

Doch die Widerstände gegen die Fahrradspuren sind groß, hieß es in der Verkehrsverwaltung, einige Bezirke seien unwillig – weil angeblich Autofahrern Platz weggenommen wird. Polizei und Fahrradclub ADFC loben dagegen die mit weißer Farbe markierten Spuren auf der Fahrbahn als wesentlich sicherer als gepflasterte Wege auf dem Bürgersteig – dort werden Radler häufig übersehen. Alleine in diesem Jahr wurden fünf Radfahrer von rechtsabbiegenden Lastwagen getötet. Laut Polizei waren 75 Prozent aller schwer und tödlich verletzten Radfahrer auf dem Radweg unterwegs.

Künftig werden in Berlin überwiegend Radstreifen markiert, sagte Roland Jannermann von der Verkehrsverwaltung. In den kommenden Wochen würden Bauarbeiter in der Wilhelmstraße in Mitte und der Heinrich-Heine-Straße in Mitte zum weißen Farbtopf greifen. Fast fertig sei der Radstreifen in der Zeppelinstraße in Spandau. Berlin hat bei modernen Radstrecken Nachholbedarf.„Die alten Radwege sind nicht mehr zu retten“, befand gestern Petra Rohland, die Sprecherin von Verkehrssenator Strieder, sie sind alle zu schmal. Juristisch habe das Land so häufig Niederlagen einstecken müssen, dass es bald keine benutzungspflichtigen Radwege mehr geben wird. Doch es müsse sich für jede Straße ein Kläger finden, von alleine will der Senat nicht die übrig gebliebenen blauen Schilder abmontieren. Bekanntlich ist Radlern seit 1998 freigestellt, wo sie fahren, sie dürfen auch auf die Busspur. Nach diversen Beschwerden hat die BVG jetzt ihre 3600 Fahrer schriftlich über die Änderungen der StVO informiert. Denn oft hupten BVGer Radler von der Fahrbahn, wenn ein Radweg parallel läuft. In Berlin stehen die Schilder seit 1998 nur noch an breiten, verkehrsreichen Straßen, wie zum Beispiel der Bundesallee. Nach dem jüngsten Urteil des Verwaltungsgerichts werden sie auch hier bald verschwinden. Teile der Straße haben die Richter allerdings ausgeklammert, etwa an der Kreuzung Hohenzollerndamm. Weil hier Rechtsabbiegen auf zwei Spuren möglich ist, seien Radfahrer auf der Straße zu stark gefährdet. Der Auftrag, den zu schmalen Radweg zu verbessern, bleibt aber bestehen. Kläger Andreas Volkmann kündigte an, eine neue Klage einzureichen, wenn dieser Umbau nicht erfolge. Bis das Urteil rechtskräftig ist, bleiben alle Schilder hängen, und in der Bundesallee hielt sich am Donnerstag auch so gut wie jeder daran.

Die Bedeutung des blauen Schildes ist den meisten Radfahrern durchaus bekannt. „Ich habe keine Lust auf Auseinandersetzungen mit Autofahrern“, sagt etwa Jascha Krautmann, der mit Helm und sportlicher Montur unterwegs ist. Eigentlich benutzt er aber schon lieber die Straße. Die Radwege an den Bürgersteigen findet der 36-Jährige oft zu holprig. Das Pflaster ist ohnehin ungleichmäßig, Baumwurzeln machen die Wege dann zu echten Buckelpisten. Gefährlich sei außerdem die Nähe zu den Fußgängern, die die Geschwindigkeit schnellerer Radler oft nicht einschätzen könnten.

Auch die 52-jährige Elfie Thaens fühlt sich auf der Straße sicherer. Zum einen, weil es ebener ist als auf den Radwegen. Zum andern hat sie Angst vor Kollisionen mit abbiegenden Autos. „Ganz schrecklich“ sei das auf der Bismarckstraße mit ihren vielen kleinen Einfahrten. „Wenn ich da nicht aufpasse, werde ich jeden Tag überfahren.“ Einig sind sich viele Radler darin, dass es am besten wäre, die Radwege auf die Straße zu verlegen. Denn brenzlige Situationen mit abbiegenden Autofahrern hat schon fast jeder erlebt. Erst am Mittwoch ist eine Radfahrerin an der Einfahrt zur Shell-Tankstelle mit einem Taxi zusammengestoßen. „Auf der Straße wird man besser gesehen“, sagt Jascha Krautmann. „Da ist man gleichberechtigt.“

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