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Senat prüft wegen Lehrerstreik den Rechtweg: Nußbaum will’s wissen

Dürfen die Lehrer überhaupt streiken? Das will der Senat vor Gericht grundsätzlich klären. Er beschwört die Friedenspflicht.

Im Streit um die Lehrergehälter ist eine Einigung zwischen Senat und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die Finanzverwaltung erwägt, den Rechtsweg zu beschreiten, um den Streikenden das Wasser abzugraben. Im Zentrum steht die Frage, ob mit dem Arbeitskampf gegen die Friedenspflicht verstoßen wird und welchen Spielraum Berlin trotz seiner Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) überhaupt für Verhandlungen hat. Am Mittwoch waren rund 3000 Lehrer auf der Straße.

Die Finanzverwaltung hatte schon im April einen Lehrer-Warnstreik zu verhindern versucht, indem sie eine einstweilige Verfügung beantragte. Das Arbeitsgericht gab aber der GEW recht, weil das Land Berlin trotz der TdL durchaus eigene Verhandlungen führen dürfe. Das Gericht widersprach dem Senat zudem in der Frage der Friedenspflicht. Der Senat argumentiert, dass eine Friedenspflicht bestand, weil es erst im März einen Tarifabschluss gegeben hatte. Das Gericht vertritt die gegenteilige Auffassung, weil in dem Tarifabschluss keine Eingruppierungsregelungen enthalten gewesen seien. Um die aber geht es bei dem Streik.

An den streikenden Lehrern gehen diese rechtlichen Spitzfindigkeiten weitgehend vorbei. Sie interessiert vor allem, was am Monatsende auf ihrem Konto ankommt und was auf dem von ihren verbeamteten Kollegen. Und diese Beträge klaffen noch immer auseinander – zugunsten der Beamten. Auch die üppige Zulage von bis zu 1400 Euro pro Monat für Angestellte reicht offenbar nicht aus, um dem Gerechtigkeitsempfinden Genüge zu tun. Und das hat zwei Gründe: Zum einen wurde die Zulage nur jenen Lehrkräften zugesichert, die bis 2017 in den Berliner Schuldienst eintreten; danach könnten die anschließend eingestellten Lehrer wieder zu einem niedrigeren Einstiegsgehalt engagiert werden. Zum anderen kann die Zulage nicht den Nachteil kompensieren, dass angestellte Lehrer in die Rentenkasse einzahlen müssen und keinen Anspruch auf volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben.

Viele Lehrer treiben aber noch andere Überlegungen auf die Straße. Sie ärgern sich über das „Maßnahmenpaket zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs“, das ihnen Finanzsenator Ulrich Nußbaum (für SPD) und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) im Frühjahr präsentiert hatten: Es brachte ihnen zwar die Altersermäßigung zurück, kompensierte aber nicht die Abschaffung der Arbeitszeitkonten.

Zurzeit ist völlig unklar, wie Senat und Gewerkschaften die Konflikte lösen können. Im Doppelhaushalt 2014/15 sind bisher lediglich die zweistelligen Millionenbeträge eingestellt, die nötig sind, um die Altersermäßigung und die 1400- Euro-Zulage zu bezahlen. Mehr Spielraum gibt es erst mal nicht.

Der wäre aber nötig, wenn Berlin sich darauf einließe, den Lehrern eine tarifliche Eingruppierung zuzubilligen. In der GEW gibt es grobe Schätzungen, wonach es erst mal rund zehn Millionen Euro pro Jahr kosten würde, die Eingruppierung umzusetzen. Auf die Dauer würde es aber wesentlich teurer werden, wenn nicht nur 9000, sondern alle 30 000 Berliner Lehrer Angestellte wären. Aufgrund dieser finanziellen Auswirkungen sind auch die anderen Bundesländer nicht bereit, Berlin freie Hand für derartige Verhandlungen zu lassen. Denn aufgrund der Systematik der TdL müssten die anderen Länder nachziehen, wenn Berlin den Anfang mit einer tariflichen Eingruppierung machen würde.

Der Senat hatte nicht damit gerechnet, dass er so schnell durch Streiks unter Zugzwang kommen würde: Erst Ende 2012 war das Land in die TdL zurückgekehrt, was dazu geführt hatte, dass alle Lehrer eine Gehaltserhöhung von rund drei Prozent bekamen. 2014 folgt eine weitere Erhöhung, so dass die Gehälter um rund 200 bis 300 Euro pro Monat wachsen. Da dieser Tarifvertrag noch bis Ende 2014 gilt, besteht der Senat darauf, dass zurzeit Friedenspflicht herrsche.

„Wir prüfen, ob wir diese und andere Fragen jetzt grundsätzlich vor Gericht klären lassen“, sagte Nußbaums Sprecher Jens Metzger am Mittwoch. Die TdL würde diesen Schritt „unterstützen“, betonte Geschäftsführer Kurt Bredendiek auf Nachfrage. Susanne Vieth-Entus

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