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Berlin: Senatorin: Justiz schafft es ohne neue Richter

Nach Sarrazins böser Bemerkung über freigelassene Mörder – Karin Schubert will Gerichte umbauen

Von Werner van Bebber

und Gerd Nowakowski

Richter am Landgericht sollen nicht noch einmal die Entlassung von mutmaßlichen Schwerverbrechern mit der Überlastung der Gerichte begründen können. Justizsenatorin Karin Schubert hat am Freitag die Präsidenten der für Strafsachen zuständigen Gerichte gebeten, mit dem vorhandenen Personal eine weitere Schwurgerichtskammer zu bilden. Sie habe in den Gesprächen mit der Kammergerichtspräsidentin und dem Präsidenten des Landgerichts angeregt, diese Kammer „bis Mitte nächster Woche“ zu beschließen, sagte die Senatorin.

Dieser Vorstoß ist die Folge eines Streits zwischen Justizsenatorin Schubert und dem Finanzsenator Thilo Sarrazin. Dabei ging es um die Frage, ob die Justiz zwei Männer aus dem Gefängnis entlassen musste, weil die Richter wegen zu vieler Verfahren nach einem halben Jahr U-Haft den beiden Beschuldigten keine Hauptverhandlungstermine nennen konnten. Sarrazin hatte die beiden Fälle mit dem Satz kommentiert:„Es kommt auch in anderen Ländern vor, dass im Vorfeld von Haushaltsberatungen Mörder laufen gelassen werden.“ Das empörte die Richterschaft und die Justizsenatorin.

Trotzdem versucht diese nun, das Problem im Sinne Sarrazins zu lösen: ohne neue Stellen, trotz angeblicher Überlastung – durch Umorganisation. So will es auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Der hatte in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel zwar die Richter in Schutz genommen und Sarrazins Bemerkung als „unnötig“ gemaßregelt. Doch sagte Wowereit auch, er erwarte von der Justiz, dass „sie intern die Vorkehrungen trifft, dass solche Vorkommnisse nicht passieren.“ Das sei keine Frage des Stellenplans. Die Justiz müsse Vorsorge treffen, „dass bei diesen schweren Delikten hier nicht auf Grund von Zeitabläufen Menschen auf freien Fuß gesetzt werden, die aus allgemeiner Auffassung nicht vor einem Prozess in Freiheit entlassen werden dürfen.“

Genau dazu hat die Senatorin nun die Präsidenten des Land- und des Kammergerichts gebeten, auch wenn deren Klage von der Überlastung nachvollziehbar ist: In diesem Jahr hätten die Gerichte 90 Großverfahren in Strafsachen zu verhandeln, im vergangenen Jahr nur 40. Eine Verdoppelung der Verfahren hätten die Gerichtspräsidenten nicht vorhersehen können, sagt Schubert. Damit den Gerichtspräsidenten die Umorganisation leichter fällt, will Schubert einen Volljuristen aus ihrer Verwaltung entsenden. Auch sollen die Kammern nicht mehr mit Reserverichtern besetzt werden, die erst dann direkt an den Verfahren teilnehmen, wenn ein Vorsitzender oder Beisitzer krank wird. Nach dieser Rechnung ist das Personal für eine weitere Kammer zur Abarbeitung der überzähligen Verfahren längst da. Deshalb ist Schubert zuversichtlich, dass es nicht noch einmal zu einem solchen Vorgang komme.

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