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Berlin: Senegal in Kreuzberg

Der Senegal liegt mitten in Berlin. In schwüler Luft vibrieren die Buschtrommeln, Gewänder glänzen in der Sonne, Schweiß perlt über muskulöse Körper.

Der Senegal liegt mitten in Berlin. In schwüler Luft vibrieren die Buschtrommeln, Gewänder glänzen in der Sonne, Schweiß perlt über muskulöse Körper. Fußball macht’s möglich. Senegal hat die Schweden aus dem Viertelfinale gekickt, und in der Kreuzberger Oranienstraße kulminiert Lebensfreude aus Dakar. So viel Spaß ist an einem freien Sonntag natürlich nur schwer zu ertragen, weswegen die Nachbarn die Polizei rufen: Lärmbelästigung. „Die Leute reden nicht mehr miteinander. Statt sich bei einem Bier zu verständigen, werden wir gerufen und müssen als Streitschlichter herhalten“, sagt der Mann im Funkwagen. Im schlimmsten Falle müsste er die Spontanfeier polizeilich auflösen, sagt er, kopfschüttelnd. Doch erst einmal verfolgen Beamte und Beamtin den Siegestaumel aus dem heruntergekurbelten Fenster, nachdem sie den Inhaber des westafrikanischen Cafés „Sunugaal“, Ouzar, über deutsches Recht aufgeklärt haben.

Der Mann mit den Dreadlocks gerät kurz außer Fassung – „wir zahlen Steuergelder, da dürfen wir auch feiern“ –, doch dann besänftigt Cafébesucherin Daniela Metreveli den Erhitzten. Sie weiß, wie das geht, sie ist mit einem Senegalesen verheiratet. Dann bittet ein Kreuzberger die Polizei um Zivilcourage, es gibt Diskussionen über Rassismus im Alltag. „Wenn die Deutschen oder die Türken feiern, beschwert sich keiner“, sagt er. Der Beamte sagt wiederum, wenn die Veranstaltung polizeilich angemeldet gewesen wäre, sähe die Sache anders aus. Ein rechtmäßig polizeilich angemeldeter Fußballsieg – das erkläre mal jemand denen auf dem Feld. Die Passanten auf der Oranienstraße bekommen vom Nachbarschaftsstreit nichts mit: die Touristen in den Bussen, denen die Afrikaner ihre Fahnen entgegenschwenken und denen die Leute vom Lande erfreut zurückwinken. Die Skater, die vorbeirollen und winken. Die Türken von der Pinte gegenüber, die die Feierkonkurrenz aus dem Süden mit verschränkten Armen aus sicherer Entfernung verfolgen. Und die Besucher der Zierfischbörse des Aquarien- und Terrarien-Vereins Animals 2000 in der Kneipe Max und Moritz. Guck an, der Glühkohlen-Maulbrüter kommt auch aus Afrika.Annette Kögel

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