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SERIE: Das perfekte High-Tech-Dinner

Informatiker der TU entwickeln die Küche der Zukunft. In ihr geben „Software-Assistenten“ den Ton an. Designer machen die Kochlandschaft zum Zentrum der Wohnung. Fragt sich nur, wer sich das leisten kann

Die Zukunft der Küche wird in Berlin entwickelt und wirkt ziemlich unspektakulär. Die Spezialisten des DAI-Labors der Technischen Universität schrauben nicht an Robotern herum und planen auch sonst keine futuristischen Zaubereien. Vernetzte Küchengeräte, ein interaktiver Monitor am Oberschrank – das ist fürs Auge alles. Der Informatiker Sebastian Feuerstack dämpft die Erwartungen, was die bekannten und erwarteten Zukunftsstandards angeht: „Den Kühlschrank, der eigenmächtig Ware nachbestellt, wollten wir nicht.“ Es geht ausschließlich darum, dem Küchenbenutzer bei der Arbeit zu helfen, innovative Software-Assistenten bereit zu stellen, so genannte „Agententechnologie“. Professor Sahin Albayrak, der Kopf des Labors, ist ein Experte dieser Informatiksparte.

„SerCHo“ für „Service Centric Home“ heißt das Projekt, eine offene Service-Plattform zur Steigerung der Lebensqualität im Heim der Zukunft. Partner sind unter anderen Siemens, die Telekom und die ProSiebenSat1-Gruppe, die als Lieferant der Inhalte auftritt. So ist über sie der TV–Koch Ralf Zacherl eingebunden – was er kocht, kann zu Hause in Rezeptform abgerufen werden, per Fingerdruck oder auch durch automatische Spracherkennung. Erst das Rezept, dann die Einkaufsliste: Lammkoteletts mit Knödeln und Bohnen, ein Dutzend Zutaten. „Knoblauch habe ich“, sagt Feuerstack – die Zutat wird auf dem Bildschirm automatisch durchgestrichen. Was übrig bleibt, überträgt er auf seinen Handcomputer und kann damit einkaufen gehen. Später in der Küche lassen sich Zacherls Handgriffe auf dem Monitor Schritt für Schritt beobachten, damit das eigene Gericht genau so gut wird wie im Fernsehen.

Die weiteren Schritte auf dem Weg zur kompletten Interaktivität liegen auf der Hand: Gibt es im Supermarkt keinen guten Lammrücken, dafür aber Fasane, kann der Computer von draußen in Zacherls Fundus stöbern und dem ratlosen Hobbykoch einen passenden Vorschlag für gebratenen Fasan machen. „Wir experimentieren mit einer Kamera“ berichtet Feuerstack, „die die Zutaten auf der Arbeitsplatte automatisch einliest. Das System könnte dazu passende Rezepte suchen.“

Die Vernetzung reicht zwar auch zu Kühlschrank und Geschirrspüler, ergibt für die TU-Informatiker aber derzeit weniger Sinn. Sollte der Geschirrspüler von sich aus mitteilen, dass nicht genug saubere Teller verfügbar sind, um ein Menü für sechs Gäste anzurichten? Stattdessen setzen sie auf einfachere Anwendungen: Ein Monitor in der Modellwohnung überwacht den Energiestatus aller Geräte bis hin zur Stehlampe, warnt mit einem roten Signal vor offenkundiger Verschwendung und berechnet den Kostenvorteil, der sich aus einer bestimmten Verhaltensänderung des Benutzers ergäbe.

Doch wie sehen die langfristigen Perspektiven aus? „Wir denken auch über Roboter nach“, sagt Feuerstack, „schon, um alten oder behinderten Menschen bei der Arbeit in der Küche zu helfen.“ Doch auch hier geht Assistenz vor Eigenmächtigkeit. Ohnehin stehen neue Ideen unter dem Vorbehalt: Wer soll sie bezahlen? Es ist anzunehmen, dass manche Innovation zunächst in Luxusküchen ausprobiert wird, ehe sie in den Massenmarkt einzieht – oder eben nicht.

Diesen Aspekt hebt auch die Studentin Maya Darli hervor, die in ihrer Diplomarbeit über neue Küchentechnologien an der Berliner Media-Design-Hochschule zum Schluss kommt, dass die Küche der Zukunft keine Illusion ist, aber eine Frage der Finanzierbarkeit. Sie hebt einen anderen Punkt hervor, der von technischen Innovationen unabhängig ist: Die Küche entwickelt sich immer mehr zum zentralen Punkt der Wohnung. Die übliche Einbauküche ist passé. So gesehen, hat auch die 1968 von Stardesigner Luigi Colani entworfene futuristische Kugelküche keine Zukunft. Kochen ist längst Teil des Wohnens, und das zeigt sich in der Gestaltung. Mit beweglichen Wänden kann man ein Büro im Handumdrehen in eine Wohnküche verwandeln.

Aber was heißt schon Wohnküche? Die Integration könnte dazu führen, dass die Wellness-Mode irgendwann auch die Küche erfasst und uns Wohnlandschaften mit Wasserfall, Whirlpool und Elektrogrill beschert. Wer es mag, der wird solche Einrichtungsmixturen durch Projektionen seiner Lieblingsurlaubsinsel ergänzen. Die Küche ist längst nicht mehr der stiefmütterlich behandelte Raum zum Kochen, sondern erweitertes Wohnzimmer – und immer mehr auch Statussymbol.

Berliner Küchen-

geschichten

Folge 4:

KÜCHE DER ZUKUNFT

Die anderen Folgen

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20er Jahre (14.10.)

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