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SERIE: Stimmungsmacher Tagesspiegel- Kochakademie

Molekularspielereien waren nie seine Sache. Markus Zimmer, Küchenchef im Restaurant Guy am Gendarmenmarkt, kocht reell und erfrischend undogmatisch. In den Workshops der Dezember-Kochakademie lässt er es zwischen den Jahren krachen. Seine Silvesterhappen heißen Tamarillos, Rochen und Rind

Viele, die Stammgäste sein könnten, haben das Restaurant noch gar nicht entdeckt. Es liegt ein wenig versteckt auf dem Hof, zugänglich nur über einen Durchgang zwischen zwei Geschäften. Hartmut Guy stellt immer eine Tafel vorn an die Straße – das wird er sicher auch tun, wenn die Teilnehmer unseres Kochworkshops anrücken. Und dann wird bei allen Neulingen das Staunen groß sein über den südlich stilisierten Innenhof und das mehrgeschossige Restaurant, eine kleine, toskanisch anmutende Oase in der Innenstadt.

So, wie Hartmut Guy beschaffen ist, konnte das Restaurant nicht anders heißen, als es eben heißt. Der gelernte Potsdamer Kabarettist, der erst nach der Wende ins kalte Wasser der Gastronomie sprang, ist Gastgeber und unumstrittener Mittelpunkt, und vor allem ein Mensch von ungeheurem Stehvermögen. Sein Gasthaus in Freudenberg östlich von Berlin brannte ab, weil ein Marder ein Kabel angebissen hatte – da baute er es größer, schöner wieder auf. Und zog dann wenig später doch nach Berlin, um den Gendarmenmarkt zu erobern. Gerade schreibt Hartmut Guy ein Buch über sein bewegtes Leben, und das wird sicher ein lustiger Rückblick auf gut 20 Nachwendejahre. Sein Restaurant ist von Anfang an auch immer ein Treffpunkt der Freunde von damals gewesen, vieler Ost-Berliner Musiker und Fernsehstars. Die kommen auch heute noch ab und zu – und machen aus dem „Guy“ fast so etwas wie ein diskreteres Anti-Borchardt.

Doch hier geht es ja vorwiegend ums Kochen, und dafür ist im Hause Guy Küchenchef Markus Zimmer zuständig. Der gebürtige Cottbuser musste nicht geholt werden, denn er war schon lange da, als sein Vorgänger das Haus verließ. Und er hat die Chance genutzt, etwas Eigenes aufzubauen, was über die bis dahin im „Guy“ gängige mediterrane Stilistik hinausging. „Mediterran“, sagt er, „das kann ich nicht mehr hören.“

Klischees liegen ihm nicht – vielleicht eine Folge der Tatsache, dass er keine berühmten Ausbildungsstationen durchlaufen hat, „das hat sich einfach nicht ergeben“, und so unbeeinflusst von übermächtigen Vorbildern seinen eigenen Weg finden konnte. Der führte ihn immerhin relativ rasch zu einer Bewertung von 15 Punkten im Gault-Millau, keine schlechte Talentprobe für einen ehemaligen Nobody. Auf der Speisekarte für Dezember finden sich Dinge wie der Rochenflügel mit Topinambur, Verveine und Bitterkakao-Vinaigrette oder der Ochsenschwanz mit Spitzkohl und Aprikosen, die für einen speziellen, undogmatischen Stil stehen und nie den Eindruck des Nachgemachten, Routinemäßigen aufkommen lassen.

Das wirkt alles sehr modern und ist doch keine aufgesetzte Avantgarde: „Wir haben ja all diese Molekularspielereien auch mal ausprobiert“, sagt er rückblickend, „das musste sein. Aber für meine Küche war das nichts.“ Dafür setzt er nun zur Freude vieler Gäste ständig auch ein vegetarisches Menü auf die Karte, denn hier steht der Gast im Mittelpunkt und nicht das Ego des Küchenchefs.

Der Workshop bei Markus Zimmer dreht sich um ein ebenso originelles wie repräsentatives Silvestermenü. Ein paar Tage später wird es so ähnlich auch auf der Speisekarte des Restaurants stehen – wenn am Gendarmenmarkt einmal mehr die Korken knallen .

Guy, Restaurant am Gendarmenmarkt, Jägerstr. 50–60, Telefon 20 94 26 00. Mo bis Fr 12 bis 15 und 18 bis 1 Uhr, Sa 18 bis 1 Uhr, So geschlossen. Warme Küche bis 23 Uhr.

HEUTE MIT

Markus Zimmer

vom Restaurant Guy

Bernd Matthies (Text), Kai-Uwe Heinrich (Fotos)

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