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Sexuellen Übergriffen auf Schutzbefohlene: Kirche entschädigt Opfer

Erzbistum legt Bericht zu sexuellem Missbrauch vor In drei Fällen wurde für Betroffene Geld bewilligt.

Die Missbrauchsfälle am katholischen Canisius-Kolleg, die Anfang 2010 bekannt wurden, lagen bereits Jahrzehnte zurück. Doch sie erhöhten auch die Aufmerksamkeit auf neuere Fälle von sexuellen Übergriffen auf Schutzbefohlene in kirchlichen und anderen Einrichtungen. Zu den Geistlichen, die sich an Kindern vergingen, kamen bald Berichte über die Lehrer der Odenwaldschule, und auch aus Sportvereinen oder von der Berliner Parkeisenbahn wurden Missbrauchsfälle gemeldet.

Am gestrigen Montag legte das katholische Erzbistum Berlin einen Zwischenbericht in Sachen Missbrauch vor: Demnach laufen derzeit keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen mehr gegen Priester, Jugendmitarbeiter oder Ordensangehörige in Diensten der Diözese. Von den 19 Verdachtsfällen sexuellen Missbrauchs, die seit 2002 im Erzbistum Berlin auftraten, seien heute neun Fälle nicht mehr zu klären, da die Beschuldigten etwa bereits verstorben seien. Fünf Fälle seien abgeschlossen worden, in sechs Fällen liefen noch kirchenrechtliche Verfahren. Im Kirchenrecht gelten andere Verjährungsfristen als im Strafrecht, dienstrechtliche Konsequenzen wie etwa Pensionskürzungen sind daher auch Jahrzehnte nach den Taten noch möglich. Über die Konsequenzen, die es in den fünf abgeschlossenen Fällen für die Täter gegeben hat, hält sich das Erzbistum bedeckt. „Das kann ich Ihnen nicht sagen“, erklärte Bistumssprecher Stefan Förner.

Zu einem großen Teil habe es sich um Taten gehandelt, die vor 1980 begangen wurden. Und in immerhin drei von sieben beantragten Fällen habe das Erzbistum bereits Leistungen für die Opfer bewilligt: Die Deutsche Bischofskonferenz hatte Anfang 2011 beschlossen, Missbrauchsopfern „in Anerkennung des erlittenen Leids“ bis zu 5000 Euro auszuzahlen und zusätzlich die Kosten für eine bestimmte Zahl von Therapiesitzungen zu übernehmen. Zumindest in diesen Fällen dürfte die Schuld der Täter also wohl erwiesen sein.

Wie aktuell das Thema Missbrauch in der katholischen Kirche weiter ist, zeigt dabei nicht zuletzt der letzte Sonntag: In der Reinickendorfer Gemeinde St. Marien hatte Pfarrer Markus Brandenburg ein Schreiben des Generalvikars verlesen, wonach ein im vergangenen Jahr wegen Missbrauchsverdachts beurlaubter Pfarrer nicht mehr in seine Gemeinde zurückkehren wird. Man habe „keine Straftat, wohl aber einen schweren Verstoß gegen den priesterlichen Dienst“ festgestellt.

Bei dem Missbrauchsopfer von damals sorgten die lapidaren, amtlichen Worte des offiziellen Schreibens für Empörung. Im Gottesdienst der Reinickendorfer St. Marien-Gemeinde sprang der heute Anfang 30-Jährige auf, stellte vor der geschockten Gemeinde seine Sicht der Dinge dar: Die Staatsanwaltschaft habe den Fall nur wegen Verjährung eingestellt. Gegen seinen ehemaligen Peiniger läuft derzeit noch ein dienstrechtliches Disziplinarverfahren. Doch eines Tages wird auch dieser Fall in der Statistik aus dem Erzbistum als „abgeschlossen“ aufgeführt sein – mit welchem Resultat auch immer. Benjamin Lassiwe

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