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Berlin: Sexueller Missbrauch: Besonders hilflose Opfer

Der alte Mann hatte es lange bestritten. Die Kinder lögen alle, behauptete er gegenüber der Polizei.

Der alte Mann hatte es lange bestritten. Die Kinder lögen alle, behauptete er gegenüber der Polizei. Nun stand er im Gerichtssaal, ruderte hilflos mit den Armen und suchte nach einem letzten Satz vor der Urteilsberatung. "Ich möchte mich hier für mein Fehlverhalten entschuldigen, auch bei den Kindern", sagte der 75-jährige Siegfried W. schließlich. Der Rentner hatte sich an drei behinderten Mädchen vergangen, die er als Fahrer eines Behindertentransports von zuhause abholte, zur Schule brachte und später wieder heimfuhr. Gestern verurteilte ihn das Berliner Landgericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Zudem muss er eine Geldbuße von 2400 Mark zahlen, wenn er sich nicht freiwillig in Therapie begibt.

Der bislang unbescholtene Siegfried W. galt als besonders zuverlässig. Er arbeitete als Fahrer, um seine Rente aufzubessern. "Seitdem der Siggi die Kinder fährt, klappt das", zeigte man sich an einer Kreuzberger Grundschule zufrieden. Aber es war auch bekannt, dass der hagere Mann mit dünnen, schlohweißen Haaren einige Schüler sehr großzügig beschenkte. "Man hätte sich früher Gedanken machen können", sagte der Anwalt des Rentners. Doch die Zweifel kamen erst, als ein zehnjähriges Mädchen völlig verängstigt seiner Mutter erzählte, es sei von dem Busfahrer angefasst worden.

Vor Gericht gab der Rentner zu, er habe es stets so eingerichtet, dass er jeweils allein mit den sieben bis elf Jahre alten Mädchen war. Zwischen November 1998 und Mai 1999 sei es vor allem bei Stopps an Ampeln zu sexuellen Berührungen gekommen. Eine Erklärung für sein Verhalten fand er nicht. Zwei Anklagepunkte bestritt er. Die Richter hielten W. vor, dass die Kinder als Behinderte besonders hilflose Opfer gewesen seien. Nur weil er den Mädchen mit seiner Aussage wenigstens die Aufregung einer Vernehmung vor Gericht erspart habe, könne überhaupt eine Bewährungsstrafe verhängt werden. Aus Sicht der Richter könnte Alterspädophilie zu den Taten geführt haben. Es gebe immer wieder Fälle, in denen ältere Männer nach einem völlig normalen Leben Neigungen zu Kindern verspürten, hieß es im Urteil.

Kerstin Gehrke

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