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Berlin: Shoppen und Fliegen

Flughäfen verwandeln sich in Einkaufszentren. Der einstige Nebenerwerb wird immer wichtiger

Das Phänomen zeigt sich nicht nur an Supermärkten und Tankstellen. Auch Flughäfen können mit ihrem originären Geschäft immer weniger Geld verdienen. Sie müssen teure Infrastrukturen unterhalten, für den ihre Kunden – die Luftverkehrsgesellschaften – im durch die Billigflieger ausgelösten Preiskampf immer weniger zahlen wollen. Um ihre Bilanzen auszugleichen, erschließen viele Airport-Betreiber deshalb neue Einnahmequellen und setzen dabei zunehmend auf den Einzelhandel – auch in Berlin.

Doch während an anderen Flughäfen längst große Shopping-Center entstanden sind, lassen die baulichen Gegebenheiten an den Berliner Airports solche Entwicklungen nicht zu. Der einstige DDR-Flughafen Schönefeld verfügt nicht über ausreichende Flächen, und in Tegel lässt die einst für den Westberliner Kurzstreckenverkehr konzipierte, dezentrale Abfertigung keine Einkaufspassage hinter der Sicherheitskontrolle zu. Erst die für Ende 2011 geplante Inbetriebnahme des neuen Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) soll auch hier die Wende bringen.

So lange will Rainer Schwarz, seit dem 1. Juni 2006 Sprecher und Mitglied der Geschäftsführung der Berliner Flughäfen, nicht warten, um den Umsatz aus dem Non-Aviation-Geschäft zu steigern, der 2005 rund 66 Millionen Euro und damit etwa 30 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachte: „Wir gehen mit den Mitteln, die uns in den nächsten vier bis fünf Jahren bis zur BBI-Eröffnung noch zur Verfügung stehen, an die Optimierung der bestehenden Airports heran.“

Shopping-Flaggschiff der Berliner Flughäfen ist bisher der „Boulevard Tegel“, der sich mit einer Verkaufsfläche von 2200 Quadratmetern von der Haupthalle beiderseits bis in den Beginn des Flugsteigringes erstreckt. Schwarz hat festgestellt, dass daran Aufenthaltsräume von Serviceunternehmen angrenzten. „Eine Flächenverschwendung par excellence“, so Airport-Chef Schwarz. Jetzt wird umgebaut. Auch die großzügig ausgelegte Fluggastinformation unter der großen Anzeigetafel mit den Ankünften und Abflügen muss umziehen. Denn dort ist Platz für einen weiteren Laden.

Der kleine Supermarkt wird jetzt ebenso erweitert wie das Geschäft für Literatur und Reisebedarf. Neu dazu kommen unter anderem ein Geschäft für Sportkleidung und ein Elektronikladen. Und was an den meisten anderen Flughäfen längst eine Selbstverständlichkeit ist, wird auf vielfachen Wunsch der Fluggäste jetzt auch in Tegel eröffnet: Ein Sex-Shop, der allerdings noch verschämt bei der Ankunftsposition im Untergeschoss versteckt wird.

Insgesamt hat Schwarz rund 500 Quadratmeter zusätzlicher Verkaufsfläche nutzbar gemacht. Schließlich muss der „Boulevard“ auch als Ersatz für die mangelnden Einkaufsmöglichkeiten nach der Passagierkontrolle dienen.

Die Bedeutung des sogenannten Retail-Geschäftes unterstreichen die Berliner Flughäfen mit einer neuen Fachabteilung, die zum Jahresbeginn die Arbeit aufgenommen hat. Andere Airports leisten sich das schon lange. Schwarz spricht von einer „kleinen, schlagkräftigen Truppe“, die sich nicht aus Luftfahrtexperten, sondern aus erfahrenen Center-Betreibern rekrutiert. Sie übernimmt zur Jahresmitte auch die bisher an einen Konzessionär ausgelagerte Organisation der Einkaufs-Bereiche in Schönefeld und Tegel. In Schönefeld gingen im vergangenen Jahr rund 1,5 Millionen abfliegende Passagiere des Billigfliegers EasyJet zu ihren Maschinen, ohne vorher einzukaufen. Sie werden in einem eigenen Terminal abgefertigt und gelangen so nicht in den Hauptwartebereich. Für sie wird jetzt ein zusätzlicher Travel-Value-Shop gebaut, in dem die Passagiere verbilligte Waren kaufen können (siehe Kasten).

Einst galt das Prinzip der kurzen Wege als optimal. Heute ist es Standard beim Flughafenbau, einen möglichst großen Einkaufsbereich zwischen Sicherheitskontrolle und Abfluggates zu legen. Das wird jetzt in Berlin bereits vor der BBI-Eröffnung versucht zu realisieren. Anders als beim Ende 2005 eröffneten Terminal D in Schönefeld werden die Passagiere im neuen Terminal Ost in Tegel, das in wenigen Monaten eröffnet wird, aus der Sicherheitskontrolle direkt in einen Travel-Value-Markt geleitet.

Richtig in Schwung kommen soll das Non-Aviation-Geschäft mit dem neuen Airport BBI. Hier sollen die Fluggäste nach der Abfertigung in der Eingangshalle durch eine zentrale Sicherheitskontrolle in eine große „Shopping- und Erlebniswelt“ gelangen. Rainer Schwarz nennt als Vorbild das Terminal 2 in München und die Flughäfen Amsterdam und Kopenhagen, die beim Retail-Business in Europa führend sind. Gerade die Holländer hatten gezeigt, dass ein solches Angebot durchaus auch Aufenthaltsqualität haben kann, so der Berliner Airport-Chef.

Mit Sicherheit wird es einen großen Travel-Value-Shop geben, sagt Schwarz. Dazu kommt eine Vielfalt gastronomischer Angebote und eine Vielzahl von Fachgeschäften, insbesondere der Bekleidungsbranche. Auch das Lokalkolorit soll nicht zu kurz kommen. „Wir wollen den Passagieren mit dem Angebot auch demonstrieren, dass sie sich auf dem Flughafen der deutschen Hauptstadtregion befinden“ betont der Geschäftsführer. So könne er sich vorstellen, nach dem Amsterdamer Vorbild auch auf dem BBI den örtlichen Museen eine Plattform zu geben. Offen ist noch, ob es einen Shopping-Bereich für ankommende Passagiere geben wird. Der liegt wegen der immer strengeren Handgepäckbeschränkungen im Trend, doch will man in Berlin noch die Entwicklung des Verhaltens der Fluggäste abwarten. Zur geplanten Verkaufsfläche will sich Schwarz erst zwei bis drei Jahre vor der Inbetriebnahme des BBI äußern. Bis dahin laufen die Feinabstimmungen. Derzeit wird ermittelt, welche Flächen für Abfertigung und Kontrollen benötigt werden. Gleichzeitig wird anhand der Passagierprognosen hochgerechnet, mit welchem Einkaufsvolumen und Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche zu rechnen ist. Fest steht, dass der Non-Aviation-Anteil am Gesamtumsatz kräftig gesteigert werden soll. Als Ziel gilt Schwarz ein Anteil von „deutlich über 40 Prozent“.

Rainer W. During

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