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Berlin: „Sie tun ihren Kindernkeinen Gefallen“ Körtingüber Zwangsehe und Ehegattennachzug

Müssen Frauen, die per Zwangsheirat hierher geholt wurden, mit Ausweisung rechnen, wenn sie ihre Männern verlassen? Normalerweise bietet das Aufenthaltsgesetz die Möglichkeit eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für nachgezogene Ehegatten erst nach zwei Jahren.

Müssen Frauen, die per Zwangsheirat hierher geholt wurden, mit Ausweisung rechnen, wenn sie ihre Männern verlassen?

Normalerweise bietet das Aufenthaltsgesetz die Möglichkeit eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für nachgezogene Ehegatten erst nach zwei Jahren. Wird die Ehe vorher aufgelöst, kann trotzdem ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gewährt werden, wenn eine besondere Härte vorliegt. Zwangsheirat könnte eine besondere Härte sein.

Können Männer, die an Zwangsheiraten beteiligt sind, ausgewiesen werden?

Ja, aber erst, wenn Zwangsheirat ein Straftatbestand wird, wofür sich der Senat einsetzt. Dann könnte nach dem Aufenthaltsgesetz ausgewiesen werden.

Schätzungen zufolge holen rund 40 Prozent der türkischstämmigen Berliner einen Ehepartner aus der Türkei hierher. Können Sie das bestätigen?

Die Innenverwaltung führt generell keine Statistik über den Ehegattennachzug. Es spricht aber vieles dafür, dass sich die Schätzungen im realistischen Rahmen bewegen.

Was bedeutet das für die Integration der Türken in Berlin?

Dieses Heiratsverhalten bedeutet eine unendliche Fortsetzung der Integrationsschwierigkeiten. Meist kommen Frauen hierher, die nicht aus einer Großstadt wie Istanbul stammen, sondern aus dem ländlichen Raum. Viele sind nicht einmal in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Es sind ungelernte Arbeitskräfte. Bevor sie hier überhaupt anfangen können, Deutsch zu lernen, bekommen sie Kinder, können deshalb auch keine Fortbildung besuchen und bleiben auf den häuslichen Kreis beschränkt.

Die aus der Türkei stammende Migrationssoziologin Necla Kelek fordert, die deutschen Behörden sollten den Ehegattennachzug erst genehmigen, wenn die Partner zumindest etwas Deutsch gelernt haben .

Solche Vorschriften sind mit dem Schutz von Ehe und Familie, wie er im Grundgesetz vorgesehen ist, nicht vereinbar.

Kelek schlägt als weitere Hürde vor, dass die Partner das 21. oder 24. Lebensjahr vollendet haben, bevor sie nachziehen dürfen.

Auch das ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

Sie sagen, dass der Ehegattennachzug die Integrationsprobleme ins Unendliche verlängert und haben keine Idee, was sich dagegen tun ließe?

Bei Zwangsheirat können wir etwas tun, da machen sich die Beteiligten strafbar. Aber wir können Ehen nicht verbieten. Wir können auf die Eltern einwirken, damit sie aufhören, ihre Kinder zu überreden, in der Heimat zu heiraten. Wir müssen ihnen klar machen: Sie tun ihren Kindern keinen Gefallen und ihren Enkeln schon gar nicht.

Dr. Ehrhart Körting (62), ist seit Juni 2001 Innensenator. Von 1997 bis 1999 war der Sozialdemokrat Justizsenator in der Großen Koalition.

Mit ihm sprach

Susanne Vieth-Entus

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