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Berlin: Sinnlos, ziellos, skrupellos

Jugendbande überfiel Schülergruppe im S-Bahnhof – 19-Jähriger brutal verprügelt

Von Sandra Dassler

Als Martin S. (Name geändert) am vergangenen Freitagabend mit Freunden auf dem S-Bahnhof Waidmannslust stand, ahnte er nichts Böses: „Wir wollten in die Disko“, erzählt der 19-jährige Schüler des Reinickendorfer Romain-Rolland-Gymnasiums. „Als eine Freundin die Tür zur S-Bahn öffnete, bekam sie zwei Schläge ins Gesicht. Ich rief: ,Was soll der Mist?‘, da fielen sie über mich her.“

Etwa zwölf Jugendliche, so gab Martin S. später zu Protokoll, schlugen und traten auf ihn ein. Sie drängten ihn zur anderen Bahnsteigseite. Er habe sich dann losreißen und in die S-Bahn retten können. Flaschen seien ihm hinterhergeflogen.

Erst in der Bahn kam Martin S. mit Hilfe seiner ebenfalls schockierten Freunde wieder zu sich. Bemerkte die schweren Verletzungen an Kopf, Mund und Nase. Der Arzt diagnostizierte später ein Schädeltrauma. Am Bahnhof Friedrichstraße erstattete Martin S. bei der Bundespolizei Anzeige gegen die unbekannten Täter.

Der Abiturient hat noch Kopfschmerzen, wird aber keine bleibenden Schäden davontragen. Jedenfalls keine körperlichen. Psychisch, sagt Martin S., sei das nur schwer zu verkraften: „Mein Glück war, dass ich geistesgegenwärtig reagieren konnte. Sonst hätten die mich vielleicht umgebracht, wer weiß.“ Am meisten schockiert Martin S. die Sinnlosigkeit der Tat: Es gab keinen Anlass, keine Beziehung zwischen Opfern und Tätern.

Ein junger Mann, der in der S-Bahn saß und sich als Zeuge zur Verfügung stellte, erzählt, dass die Schläger, Deutsche und Türken, am S-Bahnhof Frohnau eingestiegen seien. Er schätzt ihr Alter auf 15 bis 18 Jahre. Einer habe ihn drohend gefragt: „Gehörst du zu uns?“ Aus Angst habe er dies bejaht. Als die S-Bahn in Waidmannslust einfuhr, hätten die Jugendlichen gesagt: „Guck mal, die Mädchen auf dem Bahnsteig. Lass uns die mal schlagen.“

Der Zeuge ist noch nicht vernommen worden. Die Bundespolizei, bei der Martin S. Anzeige erstattete, hatte den Sachverhalt der Polizei zur Sofortbearbeitung angeboten. Die lehnte ab. Polizeisprecher Bernhard Schodrowski sagt dazu: „Die Kriminalpolizei hat auf eine Sofortbearbeitung verzichtet, weil sie in diesem Fall keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.“

So ist die Akte auf normalem Postweg – erst fünf Tage nach der Tat – von der Bundespolizei an die Kripo gegangen. Bis gestern war sie dort nicht angekommen. So wurden in diesem brisanten Fall des Verdachts auf schweren Landfriedensbruch und Körperverletzung noch keine Ermittlungen geführt. Gestern hat die Polizei nun ohne Akte mit der Bearbeitung des Falls begonnen – nach mehreren Anfragen des Tagesspiegels.

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