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Berlin: Sizilianische Botschafterin

Die Sängerin Etta Scollo hat in Lichterfelde eine neue Heimat gefunden. Heute tritt sie im Tipi auf

Etta Scollo ist ein politischer Mensch. Ihre erste Demonstration hat die Sizilianerin mit acht Jahren erlebt, da protestierte sie zusammen mit ihren älteren Geschwistern für mehr Heizkörper in Schulgebäuden. Denn was viele Deutsche gar nicht wüssten: Auch in Sizilien könne es im Winter sehr kalt werden, sagt Scollo.

Etta Scollo
Etta Scollo

© Francesco Francaviglia

Inzwischen ist die Sängerin 47 Jahre alt und gibt Konzerte in ganz Europa, aber das Interesse an Politik hat sie nicht verloren. Von Umweltzerstörung über Sozialabbau bis zum „fast schon diktatorischen Gehabe“ von Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi – es gebe so vieles, gegen das die Menschen auf die Barrikaden gehen sollten. Ab heute tritt Scollo drei Abende hintereinander im Tipi neben dem Kanzleramt auf, und auch bei ihren Konzerten werde es nicht unpolitisch zugehen. Schließlich singt Scollo da die Lieder der alten sizilianischen Volkssängerin Rosa Balistreri, die in den 60er Jahren ebenfalls für ihre Protestlieder bekannt war. „Zwar wird der Großteil meines Publikums weder Rosa kennen noch die Texte verstehen, aber die Botschaft kommt hoffentlich an.“

Scollo selbst ist in Sizilien ohne Folklore-Musik aufgewachsen, dafür mit „Auto, E-Gitarre und Party“. Und mit den Rolling Stones und den Beatles, die kannte sie von ihren Geschwistern. Zum Singen kam Scollo, als sie mit 19 Jahren nach Turin zog und in den Autowerken von Fiat am Fließband stand. Das Zusammenschweißen von Fahrzeugteilen habe sie dermaßen gelangweilt, da sei ihr „die Musik als Notausgang“ gerade recht gekommen. Natürlich kam auch die politische Aktion nicht zu kurz: Um gegen die „Ausbeutung der Fließbandarbeiter“ zu protestieren, überredete sie ihre Kollegen, möglichst langsam zu arbeiten und damit die Konzernprofite zu senken.

Nachdem Scollo in Turin zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden hatte, war ihr klar, dass sie ihre Zukunft nicht am Fließband, sondern vor dem Mikrofon verbringen wollte. Nach einer Gesangsausbildung bekam sie schnell Auftritte in Italien, der Schweiz und Deutschland – in Österreich landete sie in den 80er Jahren sogar einen Nummer- Eins-Hit: Mit einer Cover-Version des Beatles-Songs „Oh darling“. „Das war ganz schrecklich, plötzlich in der Scheinwelt der Prominenten verkehren zu müssen“, sagt Scollo heute. Und überhaupt die Popmusik der 80er Jahre: „Da könnte ich schreien, wenn ich daran zurückdenke.“

Seit kurzem lebt Etta Scollo bei ihrem Freund in Berlin-Lichterfelde, geht täglich ins eigene Tonstudio. Nach Pop und Trip Hop hat sich die Sängerin nun den Liedern von Rosa Balistreri und damit ihren sizilianischen Wurzeln zugewandt. „Wenn Balistreri meine Konzerte hören könnte, würde sie mich wahrscheinlich beiseite nehmen und jede Menge Tipps geben.“ Davon würde sie sich aber nicht beeindrucken lassen, schließlich galt Balistreri schon immer als launische Person. Von Lichterfelde kennt Scollo bisher nur ihr Studio und „den Bioladen um die Ecke“, aber das soll sich bald ändern: „Ich kaufe mir ein Buch über alle Sehenswürdigkeiten.“ Zumindest schätzt Scollo schon mal die Nähe zur Natur und die „saubere Luft von Lichterfelde“, das gebe es in ihrer Heimatstadt Catania nicht. Sowieso entspreche Sizilien nicht dem Bild, das die meisten Deutschen wohl hätten. Zum Beispiel die Sache mit dem Temperament: „Da sind wir nicht viel anders als die Deutschen, auch bei uns gibt es Depressionen.“ Und selbst das allgegenwärtige Klischee von der sizilianischen Mafia entspreche nicht der Wirklichkeit:„Die arbeiten inzwischen mit dem Computer – das glaubt hier doch keiner.“

Etta Scollo tritt ab heute drei Abende hintereinander im Tipi am Kanzleramt in Mitte, Große Querallee, auf. Karten gibt es unter 030-3906652

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