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Skandal um Jugendstrafanstalt: Mehr Polizei vor, mehr Personal in der Haftanstalt

Die Politik reagiert auf die Vorfälle im Jugendgefängnis Plötzensee mit mehr Kontrollen und Umbauten. Zudem werden Sicherheitsauflagen gegen Beteiligte am Fluchtversuch verhängt. Der Druck auf Berlins Justizsenatorin wächst.

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Minutenlang soll die über die Mauer des Jugendgefängnisses geworfene Aluminiumleiter im Gras gelegen haben, bis ein Wachtposten sie wegtrug. Dies berichtete einer der 20 Gefangenen, die zu diesem Zeitpunkt ein Lauftraining an der Mauer absolvierten, gestern über ein eingeschmuggeltes Telefon. Jedoch habe der Initiator der Flucht "Muffensausen" bekommen. Dieser Gefangene habe während des Lauftrainings ein verbotenes Mobiltelefon in der Tasche gehabt – zur Absprache mit den Helfern von außen, wie es hieß. Dem Tagesspiegel liegt eine Liste der 20 Häftlinge vor. Darunter sind mindestens acht junge Männer, die bei der Staatsanwaltschaft als Intensivtäter geführt werden.

Gegen alle Teilnehmer des Lauftrainings wurden sogenannte Sicherungsmaßnahmen angeordnet – allerdings erst fast zwei Monate später am 4. Juli. "Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen wegen nicht auszuschließender Fluchtgefahr" steht in dem Behördenvermerk, der auf "Fluchthilfe mittels Leiterüberwurf an der alten Sporthalle während der Laufgruppe am 18. Mai" Bezug nimmt. Die Gefangenen dürfen demnach nur noch unter Aufsicht an Gemeinschaftsveranstaltungen teilnehmen, ihre Zellen wurden verstärkt kontrolliert, im Freigelände darf ihnen keine Arbeit mehr ohne Beaufsichtigung gegeben werden. Auch am Sport dürfen sie nicht mehr teilnehmen.

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) dementierte dagegen, dass es sich bei dem Leiterüberwurf am 18. Mai um einen Ausbruchsversuch gehandelt habe. Von der Aue sagte, die im Gefängnishof gefundene Leiter, die über die fünf Meter hohe Mauer geworfen wurde, sei "sofort von einem Hofposten eingesammelt worden". Es habe "nie ansatzweise eine Gefahr gegeben, dass da einer stiften geht", sagte die SPD-Politikerin der "Morgenpost".

Gestern Abend teilte von der Aue mit, dass sie bei einem Treffen mit Innensenator Ehrhart Körting und Polizeipräsident Dieter Glietsch eine deutliche Erhöhung der Polizeipräsenz vereinbart habe, und zwar "offen und verdeckt". Die Jugendstrafanstalt werde zudem die Zahl der Hofposten nochmals verstärken. Darüber hinaus werden ab sofort die Hafträume häufiger kontrolliert, um verbotene Gegenstände schneller zu finden. Von der Aue betonte, dass die Anstalt in den 80er Jahren gebaut worden sei. Umbauten sollen jetzt mehr Sicherheit schaffen.

Bereits seit Sonntagmorgen wachen zwei Beamte an der Eingangsschranke zur Kleingartenkolonie; nach ihren Aussagen sei eine Dauerbewachung rund um die Uhr angeordnet worden. In der vergangenen Nacht, so sagte ein Kleingärtner, sei es ruhiger als in den vergangenen Wochen gewesen. Er sei "nur" von vier Jugendlichen angepöbelt worden, die sich in der Dunkelheit in der Kleingartenkolonie herumtrieben und nach der Begegnung verschwanden. Ein neues Päckchen an der Anstaltsmauer belege aber, dass es zumindest einen Schmuggelversuch gab.

Berliner CDU und FDP legten der Justizsenatorin den Rücktritt nahe. "Offenbar ist von der Aue mit dem Krisenmanagement überfordert", sagten CDU-Generalsekretär Frank Henkel und FDP-Rechtspolitiker Sebastian Kluckert. "Von der Aues Stuhl wackelt gewaltig", sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Unterdessen hat eine Privatperson Strafanzeige gegen den Leiter der Jugendstrafanstalt, Marius Fiedler, unter anderem wegen Strafvereitelung im Amt gestellt.

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