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Berlin: Skiverband fährt auf Kunstschnee, Lift und Flutlicht ab - doch die Forstverwaltung reagiert frostig

"Zur Premiere schien sogar die Sonne. Binnen knapp vier Stunden zog der Lift rund 1800 Kletter-Unwillige zur Abfahrt empor, mit Ausnahme derjenigen, denen der Liftstab aus den Beinen entglitt: Sturz, Bindung auf, saures Gesicht.

"Zur Premiere schien sogar die Sonne. Binnen knapp vier Stunden zog der Lift rund 1800 Kletter-Unwillige zur Abfahrt empor, mit Ausnahme derjenigen, denen der Liftstab aus den Beinen entglitt: Sturz, Bindung auf, saures Gesicht. Für die skibegeisterten Berliner - schon längst gewöhnt an Künstliches und Halbkünstliches - hieß die Parole: Ski und Rodel gut!" Mit diesen Worten beschrieb der Tagespiegel am 8. Januar 1967 die Eröffnung des Schleppliftbetriebs am Teufelsberg. Er währte bis Anfang der 70er. Eine Skipiste mitten in Berlin - an dieser Vision hält der Berliner Skiverband bis heute fest. Dieser Tage hat der Verband bei den Berliner Forsten einen neuen Anlauf für Kunstschneekanonen, Sessellift und Flutlichtanlage in Wilmersdorf unternommen.

400 Meter Länge, 22 Prozent Gefälle - der frühere Trümmerberg wartet gar mit weltcupgerechten Maßen auf - und ist damit nach Auskunft des Verbandsvorstandmitglieds Hubertus Müller "der weltweit beste Skihang in einer Großstadt". Die Höhe des berlinischen Skihügels beträgt 75 Meter - zum Laufen viel zu viel, davon sind die Skiverbands-Vertreter überzeugt. Deswegen, und wohl auch aus dem Grund, weil die Mitgliedsstatistik rückläufig und langfristig die eigene Existenz gefährdet ist, will der Verband das Skizauber-Szenario recyclen. "In Berlin gibt es rund 400 000 Skifahrer, das Potenzial ist da", sagt Hubertus Müller. Die Forstverwaltung sieht das anders.

Mag ja sein, dass das Land Berlin einst den öffentlichen Skilauf mitfinanzierte. Heute sei das drei Hektar große Gelände jedoch Landschaftsschutzgebiet, und allein aus diesem Grund ein professioneller Skibetrieb zu Füßen der früheren Radarstation undenkbar. Generell sehe die Landeshaushaltsordnung vor, dass derjenige, der landeseigenes Gelände nutzt, Gebühren zahlen muss, sagte Elmar Kilz, Forstamtsleiter in Grunewald. Bislang zahlte der Skiverband knapp 1000 Mark im Jahr, der aktuellen Forderung der Berliner Forsten zufolge sollen es künftig rund 33 000 Mark werden.

Eine Finanz-Lawine, die den Berliner Skiverband mit seinen 2000 Mitgliedern überrollen würde. Bei einer solchen Pachtsumme sehen die Verbandsskifahrer nur die Chance, einen privaten Skizirkus zu organisieren, der auch mit Gewinn arbeitet und vom restlichen Gelände mit einem Zaun abgetrennt wäre. Schanzen, Lifte und Pisten, das wäre nach Aussage des Verbandsvorsitzenden Wolfgang Watzek "der Idealzustand". Dagegen regen sich Widerstände, und Financiers sind auch noch nicht in Sicht. Watzek: "Dennoch darf man ja träumen."

"Kein Mensch auf der Welt könnte so einen Zaun dichthalten", kontert Forstchef Elmar Kilz - schon der jetzige halte nicht einmal den Wildschweinen stand. Abgesehen davon, dass es ein "zentraler Bestandteil der Berliner Forsten sei, sie für die Allgemeinheit offen zu halten". Zudem sei es auch für Kunstschnee oft zu warm.

Zu Details der Gespräche zwischen Forstamt und Skiverband wollte der Behördenleiter nichts sagen. Derweil ließ Forsten einen einst vom Skisport genutzten Bau zu Fuße des Hanges abreißen. Der Skiverband will nun über mehrere Versionen verhandeln. Nicht ohne Gedanken an die seligen Sechziger: "Leicht verfroren, mit den Schuhen stampfend und die Skier geschultert: der Teufelsberg hatte seinen ersten Ansturm hinter sich und die Schnee-Kanonen ihre erste Bewährungsprobe in dieser Saison bestanden."

Annette Kögel

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