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Hübsch verpackt. Stumpen heißt bürgerlich Gero Ivers und wohnt in Friedrichshagen. Foto: Imago

© imago stock&people

Berlin: So ein Quuaak

AUFTRITT DER WOCHE Die Berliner Chaosbande Knorkator ist zurück Sänger Stumpen spielt jetzt den Froschmann, die Kritiker freut’s

Stumpen trägt jetzt Ganzkörpergrün. In seinem Gummianzug wirkt er ein bisschen wie ein amerikanischer Comic- Superheld, vor allem aber enorm debil. So liebt man ihn.

Zweieinhalb Jahre standen Knorkator nicht mehr gemeinsam auf der Bühne, sie hatten sich aufgelöst, wollten jeder für sich kreativ bleiben, aber nie mehr in dieser Chaos-Konstellation. Doch wenn die Gruppe in etwas wirklich exzellent war, dann darin, sich selbst nicht ernst zu nehmen, und so nahmen sie auch ihre eigene Abschiedserklärung nicht ernst. Diesen Donnerstag geben sie ein Konzert im Lido, es ist längst ausverkauft, wer sie trotzdem sehen will, muss eine Karte auf Ebay ersteigern oder bis Dezember warten, dann spielen Knorkator noch einmal in der Columbiahalle, dem Ort, an dem sie im Dezember 2008 ihr Abschiedskonzert gaben.

„Ü77“ heißt ihre Rückkehr-Tournee, soll bedeuten: Jeder Besucher über 77 Jahre bekommt sieben Prozent Rabatt. Und jedes Kind unter sieben Jahre mit über 77 Kilo bezahlt doppelt.

Musikalisch hat sich nichts geändert. Auch ihre Liveshows, erste Auftritte in Leipzig und Rostock haben das bewiesen, geraten gewohnt skurril und klamaukig, aber doch etwas weniger zügellos als in früheren Jahren. Bei jeder anderen Band würden Kritiker vermutlich von einem Reifeprozess sprechen. Der neue Bassist trägt Krawatte, Alf Ator hält sich inzwischen mit dem Zerstören seiner Instrumente zurück, dafür steht er in einem imposanten Riesenreifen, an dem ringsum in verschiedenen Höhen insgesamt sechs Keyboards befestigt sind.

Eine liebgewonnene Tradition blieb erhalten: Im Laufe des Abends wird Sänger Stumpen irgendwann laut „Huckepack“ kreischen, dann klettern Frauen im Publikum auf die Schultern ihrer Freunde und tragen miteinander Reiterkämpfe aus. Und Frontmann Stumpen wird sein Ganzkörperkostüm ausziehen, darunter kommt der Knorkator-Fans vertraute Badeanzug zum Vorschein, bei dem hinten Stumpens halbe Pobacken rausgucken.

Die Kritiken der ersten Comeback-Konzerte sind grandios. Die Pause habe sich gelohnt, heißt es nun. Frontmann Stumpen wird als „der vielleicht unterbewertetste Rocksänger des Landes“ beschrieben. Das ist ihm bisher auch noch nicht passiert.

Über die zwischenzeitliche Auflösung der Berliner Band existieren bis heute unterschiedliche Theorien. Die plausibelste ist, dass Keyboarder Alf Ator vorübergehend mit seiner Frau nach Thailand zog, die anderen aber nicht ohne ihn weitermachen wollten und es wohl auch nicht konnten, weil Ator gleichzeitig der Songschreiber war.

Keinen Zweifel gibt es über die Gründe der Rückkehr, Stumpen selbst sagt es auf den Konzerten: Sie haben eben Familien, die ernährt werden müssen. Und obwohl die einzelnen Mitglieder in der bandlosen Zeit viel kreativen Output hatten, mit Theaterstücken, Buchprojekten, Blogs – an Knorkator reichte all das nicht heran. Außerdem hat sich Schlagzeuger Nick Aragua gerade einen Facebook-Zugang eingerichtet und hätte gerne 1000 Freunde, es sind aber erst 330, Sänger Stumpen startet auf der Bühne Soliaufrufe.

Beim Konzert im Lido werden viele enge Freunde mitfeiern. Bloß Stumpens Tochter nicht, die zieht einen Urlaub auf dem Reiterhof vor, hat der Sänger traurig verkündet. Trotzdem will Knorkator laut Eigenaussage eine „gut gelaunte Boygrouppeitsche“ sein. Sie haben auch neue Stücke geschrieben, im Herbst erscheint ein Album, das Lied „Refrain“ wird bereits im Lido angetestet. Es handelt im Wesentlichen vom strukturierten Aufbau eines Rocksongs. Im Refrain singen sie folgerichtig bloß „Refrraaiiiiiin!“ Die Fans können mitsingen. Sebastian Leber

Das Konzert beginnt am Donnerstag um 20 Uhr in der Cuvrystraße 7. Infos unter www.lido-berlin.de

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