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Berlin: So wirken Placebos

Bevor ein neues Medikament zugelassen wird, muss es sich im Konkurrenzkampf gegen Scheinmedikamente durchsetzen. Placebos (von lateinisch: „Ich werde gefallen“) heißen diese Pillen oder Injektionen, die den zu testenden Mitteln zum Verwechseln ähnlich sehen, aber nur Milchzucker, Stärke oder Kochsalzlösung enthalten.

Bevor ein neues Medikament zugelassen wird, muss es sich im Konkurrenzkampf gegen Scheinmedikamente durchsetzen. Placebos (von lateinisch: „Ich werde gefallen“) heißen diese Pillen oder Injektionen, die den zu testenden Mitteln zum Verwechseln ähnlich sehen, aber nur Milchzucker, Stärke oder Kochsalzlösung enthalten. Die optische Gleichheit der Pillen ist Teil des Programms. Der Studienteilnehmer weiß nicht, ob die Tablette den Wirkstoff enthält oder „leer“ ist. Ist auch der Arzt nicht informiert, spricht man von einem Doppelblindversuch. Wenn man ausgerechnet hat, um wie viel die echten Mittel besser sind als die leeren Hüllen, so die Idee, dann weiß man, was der Wirkstoff selbst zur Heilung beiträgt.

Der Unterschied zwischen „Verum“ (echtem Mittel) und Scheinpille erweist sich dabei manchmal als überraschend klein. Neben Pillen ohne Wirkstoff wirken auch Schein-Behandlungen: Patienten mit Kniebeschwerden berichteten auch über eine Besserung, nachdem der Operateur nur einen kleinen Hautschnitt gemacht hatte. Bei einer großen Akupunktur-Studie zeigte sich, dass es Schmerzen auch lindert, wenn Nadeln an falschen Punkten gesetzt werden.

Was die Placebo-Medikamente betrifft, so wirken rote besser als weiße, und Spritzen mit Kochsalzlösung haben mehr Effekt als Pillen.

Es wäre aber ein Missverständnis, wenn man diese Wirkung nur als „eingebildet“ klassifizieren würde. Denn sie lässt sich messen. Der Neurologe Fabrizio Benedetti von der Uni Turin hat in trickreichen Untersuchungen geschaut, was bei einer solchen Behandlung im Gehirn passiert. Freiwilligen wurden Schmerzen am Arm zugefügt, anschließend bekamen sie eine Spritze mit einer Kochsalzlösung. Messungen ergaben, dass diese Maßnahme die Opioide der körpereigenen Schmerzabwehr mobilisierte. Der Körper machte sich sein Schmerzmittel sozusagen selbst. Auch die Gegenprobe funktionierte: Wenn ein Medikament zuvor die Opioid-Ausschüttung blockierte, wirkte das anschließend gegebene Anti-Schmerz-Placebo nicht. „Der Placebo-Effekt ist ein Kontext-Effekt“, sagt der Neurowissenschaftler. Der Kontext prägt die Erwartungen, und es sind die Erwartungen, die zur Ausschüttung von Hormonen und Botenstoffen führen können. Dass Placebos bei Krankheiten, die der Wahrnehmung des Patienten nicht zugänglich sind, nicht wirken, ist deshalb nicht erstaunlich.

Mit Bedacht Scheinmedikamente zu verordnen, wäre als Täuschungsmanöver aber ethisch bedenklich. Wenn die Patienten es nach der Lektüre des Beipackzettels erwarten, haben Scheinmedikamente nämlich auch echte Nebenwirkungen.

Adelheid Müller-Lissner

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