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Schauspielausbildung? Braucht Johannes Hallervorden nach eigener Aussage nicht.

© Mike Wolff

Neues Theaterstück am Schlosspark-Theater: "Normal ist nicht erstrebenswert"

Der 18-jährige Johannes Hallervorden sucht die große Bühne. Vater-Vergleiche verbieten sich – oder nicht? Eine Begegnung.

Als Kind wohnte Johannes Hallervorden in einem neugotischen Schloss auf einer Insel in der Bretagne. Um in die Schule zu kommen, musste er mit dem Boot übersetzten. Mit elf Jahren hatte er seinen ersten Auftritt vor der Kamera.
Später spielte er einen Geist für eine Produktion des Disney Kanals, die in 27 Ländern ausgestrahlt wurde. Es folgten ZDF- und ARD-Auftritte, mit 16 hatte er einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Eine normale Kindheit sei das nicht, gibt Hallervorden zu. „Normal ist nicht erstrebenswert“, findet er. Und was ist schon normal, wenn der eigene Vater einer der bekanntesten Schauspieler Deutschlands ist?

Johannes Hallervorden ist inzwischen 18 Jahre alt, hat Abitur gemacht („irgendwas mit drei Komma“) und ist seit Kurzem zusammen mit „Praxis Bülowbogen“-Ikone Anita Kupsch im Schlosspark-Theaters zu sehen. In der Adaption des Kultfilms „Harold und Maude“ spielt er einen vom Tod faszinierten 17-Jährigen, der sich nach einer Friedhofsbegegnung Hals über Kopf in eine 79-jährige Hippie-Rentnerin verliebt. Es ist seine erste Bühnen-Hauptrolle und weil er neben Kupsch das Zugpferd ist, rührt er in diesen Tagen die Werbetrommel.

Der Vater ist überall: Im Theater, auf Plakaten, beim Feierabendbier

„Mein Tagesablauf besteht zur Zeit nur noch aus Aufstehen, Interviews geben, Proben und den abendlichen Auftritten“, sagt er. Dass ihn Journalisten und Publikum häufig auf seinen Nachnamen reduzieren, ärgert ihn. „Ich bin nicht mein Vater und möchte auch nicht ständig mit ihm verglichen werden“, sagt Hallervorden Junior. Den Vergleich muss er sich allerdings nicht nur wegen seines Nachnamens und der ähnlich näselnden Stimme gefallen lassen. Sein Vater ist allgegenwärtig.

Das neue Stück wird in seinem Theater aufgeführt, zum Interview lädt der junge Hallervorden in das von seinem Vater gegründete Kabarett-Theater Wühlmäuse, wo sein Vater von Bildern und Plakaten strahlt. Selbst bei der Voraufführung sitzt der 80-jährige Hallervorden mit Freundin in einer hinteren Reihe, macht Notizen und spendiert seinem Sohn nach der Vorstellung ein Feierabendbier.

Terror, Trump, AfD - zu allem hat er eine Meinung

Er habe eben ein gutes Verhältnis zu seinem Vater, sagt Johannes Hallervorden. „Solange wir uns gegenseitig aushalten, werde ich auch zuhause wohnen.“ Dass er die Rolle nur wegen seines Vaters bekommen habe, dagegen wehrt er sich vehement. Der Regisseur habe eigentlich nach einer ganz anderen Person gesucht. „Er blätterte durch die Agenturseiten, sah mich und dann ging alles ziemlich fix.“ Für die Rolle sei es vor allem wichtig gewesen, einen jungen Schauspieler zu finden.

Dabei wirkt er gar nicht so jung. Er ist groß, die Stimme tief, sein Auftreten souverän. Es gibt Bilder, auf denen er einen Bart trägt. Da könnte er auch fast 30 Jahre alt sein. Dazu passt, wie er sich durch die Weltpolitik hangelt. Zu allem hat er eine Meinung. Zum Islamischen Staat, zu Trump, zur AfD. Von der französischen Stichwahl zum Präsidenten zwischen Jacques Chirac und Jean-Marie Le Pen berichtet er wie ein Zeitzeuge – dabei war er 2002 noch ein Kleinkind.

„Das gehört zum Allgemeinwissen“, sagt er schulterzuckend und überhaupt: „Ich finde, Kunst sollte immer auch politisch sein.“ Als der türkische Präsident Erdogan den Satiriker Jan Böhmermann wegen eines umstrittenen Gedichts anzeigte und damit eine Staatskrise auslöste, reagierte Dieter Hallervorden mit dem provokanten Lied „Erdogan, zeig mich an!“ – sein Sohn schrieb Teile des Lieds und führte Regie für das Video. „Bei der Arbeit sind wir Kollegen.“

„Kritiker sind wie Eunuchen. Sie wissen genau wie es geht, aber sie können es nicht.“

Dass nun in der ganzen Stadt sein Gesicht auf Plakaten zu sehen ist und er nach Aufführungen Autogramme gibt, tut er mit einer Handbewegung ab. „Da achte ich nicht so drauf“, sagt er ohne, dass es aufgesetzt klingt. Mit seinen zu großen Jeans, den zerlatschten Turnschuhen und seiner unaufgeregten Art nimmt man ihm seine Bodenständigkeit ab.

Auch Lampenfieber habe er keines mehr, sagt er. Immerhin ist das Stück in Stuttgart bereits 52 Mal gespielt worden. „Es hat unfassbar Spaß gemacht. Die Zuschauer haben es geliebt, die Kritiker haben es zerrissen“, sagt er unbekümmert. Dass man ihn als „hölzern“ und „etwas unbeholfen“ abgestraft hat, sei ihm „Wurst“. Ein Zitat von Schauspieler Siegfried Lowitz („Der Alte“) fällt ihm dann aber doch noch ein: „Kritiker sind wie Eunuchen. Sie wissen genau wie es geht, aber sie können es nicht.“

Schauspielschule? "Ich würde drei Jahre verlieren"

Ob Hallervorden weiß, wie es geht? Eine Schauspielschule will er jedenfalls nicht besuchen. „Das reizt mich gar nicht. Aus solchen Schulen kommen nur genormte Typen heraus“, findet er. Zwei Drittel des Ausbildungsstoffes könne er schon, da wolle er lieber direkt auf die Bühne. „Ich würde drei Jahre verlieren, wenn ich jetzt studiere.“ Zweifel an seinen Fähigkeiten hat er sowieso nicht. „Sonst wäre ich im falschen Beruf.“

Auf der Bühne ist Hallervorden immer dann am besten, wenn es skurril wird. Wie seinem Vater liegen auch ihm die lustigen Momente. Das Umschalten ins Tragische wirkt dagegen angestrengt und auch seinen Körper hat er auf der Bühne nicht immer im Griff. „Hölzern“ spielt er trotzdem nicht, neben der grandiosen Anita Kupsch scheint es vielleicht nur so. An ihr sollte Johannes Hallervorden aber auch noch nicht gemessen werden – genau so wenig wie an seinem Vater.

Bis Ende März stehen noch rund zwei Dutzend Vorstellungen von „Harold und Maude“ im Spielplan des Schlosspark-Theaters. Tickets kosten zwischen 18 und 33 Euro. Verkauf und alle weiteren Infos unter www.schlosspark-theater.de.

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