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Jobben und Wohnen. Jana Nolle arbeitet im Studentenclub in Schlachtensee – und wohnt gern im Dorf.

© Georg Moritz

SO LEBEN STUDENTEN IN BERLIN: SO LEBEN STUDENTEN IN BERLIN

Amedeo Goria, WG. Zu seinem Zimmer im Wohnheim am Wassertorplatz kam Amedeo Goria vor zweieinhalb Jahren so: „Ich war der Letzte in der Schlange und hatte eine Flasche italienischen Wein dabei.

Amedeo Goria, WG. Zu seinem Zimmer im Wohnheim am Wassertorplatz kam Amedeo Goria vor zweieinhalb Jahren so: „Ich war der Letzte in der Schlange und hatte eine Flasche italienischen Wein dabei.“ Zusammen ein Glas Wein oder Bier trinken, im Sommer ein Freiluftkino an der Ruine im Hof einrichten oder über die Außentreppe die WG im vierten Stock besuchen – irgendwas ist immer los bei den vier Mitbewohnern. Das Haus in der Nähe des Kottbusser Tors gehört zwar zu 40 Prozent dem Studentenwerk, die Wohngemeinschaften suchen sich ihre Mitbewohner aber selber aus. „Wer hier wohnt, bleibt gern“, sagt Amedeo, der an der FU Politikwissenschaften studiert und als Berlin-Korrespondent für eine Online-Zeitung arbeitet. Der 27-Jährige und seine Mitbewohner haben in dem ehemalig besetzten Haus eine Dachterasse, Sauna und Wintergarten zur Verfügung – alles für durchschnittlich 188 Euro im Monat. Der Student aus Genua fühlt sich wohl, auch wenn er anfangs mit der Sprache zu kämpfen hatte. Die Reizthemen Abwasch und Putzen trüben das WG-Leben nicht. Es gibt nämlich nur eine Regel: „Dass es keine Regeln gibt.“

Konrad Hofmann, Platte. Luxus-Single-Wohnung stand in der Anzeige im Internet. Für einen Wohnheimplatz war es im August, als Konrad Hofmann seine Zulassung zum Theologiestudium an der Humboldt-Universität bekam, schon zu spät. „Ich habe mich angemeldet und fünf Minuten später wurde ich zurückgerufen“, erzählt der 19-Jährige, der von Wittenberg aus auf Zimmersuche ging. Er staunte, als er das „Q216“ zum ersten Mal sah: ein neunstöckiger Wohnblock mit 438 Apartments, direkt an der Frankfurter Allee. Am ehemaligen Abrisshaus donnert der Verkehr vorbei, oben büffelt der Student für sein Latinum. Der Luxus, den Konrad Hofmann tatsächlich genießt, ist der Ausblick über die Dächer Lichtenbergs, eine frisch renovierte und komplett möblierte Wohnung und vor allem: Zurückgezogenheit. Nach einem langen Tag will er lieber für sich sein. Den Stress, sich ein WG-Zimmer zu suchen, wollte er sich auch sparen. Lachend erzählt er von Partys auf seiner Etage, von Beschwerden der Nachbarn – das ganz normale Studentenleben eben. Es ist keine Luxuswohnung geworden ist, doch er sagt: „Ich bin hier zufrieden.“

Jana Nolle, Studentendorf. Sie ist eine echte Dörflerin, mag es klein und überschaubar. Ihr Heimatort im Harz hat weniger als 800 Einwohner, im Studentendorf Schlachtensee sind es 860. Einziger Unterschied: „Hier trifft man immer jemanden, auch nachts“, sagt die 22-Jährige Archäologiestudentin lächelnd. Gerüchte machen noch schneller als daheim die Runde. Seitdem es nebenan sogar einen Supermarkt gibt, muss man das Dorf nicht mal verlassen – auch nicht zum Arbeiten. Jana Nolle arbeitet als Köchin im Studentenclub, brät Schnitzel, baut Burger. Nebenbei organisiert sie Partys und andere Events im Clubhaus, wo die Dörfler auch Tatort oder Fußballspiele gucken. In Jana Nolles Wohngemeinschaft gibt es eine WG-Kasse und einen festen Putzplan. Wer sich nicht dran hält, muss zahlen. Ausflüge ins Zentrum wollen gut geplant sein, nachts fahren die Busse nur selten. „Man plant halt einfach seine zwei Stunden Nachhauseweg ein. “Jana Nolle genießt vor allem die Nähe zur Natur, die kleinen Fluchten zum Schlachtensee. „Im Sommer ist das super“ findet sie. „Es sind nur fünf Minuten mit dem Rad zum Badeort.“

Anantharam Devaraj, Wohnheim. Ein schmales Bett, daneben Schreibtisch und Stuhl, dazu ein Schränkchen, auf dem Gläser in einem Geschirrkorb stehen. Anantharam Devarajs Welt konzentriert sich auf 15 Quadratmeter. „Ich fand es gemütlich, also bin ich sechs Jahre geblieben“, während er in T-Shirt, Jeans und Socken auf seinem Bett sitzt. Vor sieben Jahren kam er aus Chennai in Südostindien nach Berlin und landete über ein Stipendium im Wohnheim an der Lynarstraße. Es ist eines von sieben „Houses of Nations“ der Bürgermeister Reuter Stiftung. Anantharam Devaraj gefällt das Konzept, das Einzel- und Doppelapartments plus Infrastruktur wie Coffeeshops und Dachterrasse mit Grill bietet. „Es ist sehr international hier“, sagt der 32-Jährige. Im Ernst-Reuter-Haus an der Triftstraße leben viele Asiaten, auch eine Laborkollegin von Devaraj ist dabei. „Ich habe viele Freunde gefunden.“ 270 Euro für das kleine Zimmer mit Kochnische findet er nicht billig, aber okay. Jetzt geht seine Zeit in Berlin ohnehin zu Ende. Er hat gerade seine Doktorarbeit in Molekularbiologie abgegeben, im Sommer wird er in die USA ziehen. Texte: Nantke Garrelts

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