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Berlin: Soll der Bundespressestrand am alten Standort bleiben?

Im Liegestuhl entspannen und einen Cappuccino schlürfen – Rücken an Rücken zu Regierungsgebäuden und dem Treiben der Bundestagsabgeordneten. Das ist die Nähe zur Macht, die eine Demokratie sinnbildlich auszeichnet.

Im Liegestuhl entspannen und einen Cappuccino schlürfen – Rücken an Rücken zu Regierungsgebäuden und dem Treiben der Bundestagsabgeordneten. Das ist die Nähe zur Macht, die eine Demokratie sinnbildlich auszeichnet.

Wer sommers auf einem Spreekreuzer am Bundespressestrand vorbeituckert, erlebt diese kunterbunte Szenerie vor der Kulisse des Reichstages und des Paul-Löbe-Hauses. Das ungewöhnliche Bild aus dem Berliner Regierungsviertel ging um die Welt – es symbolisiert die Offenheit des vereinigten Deutschlands ebenso wie der neue Spazierweg am Spreeufer, der sich zwischen Fluss und Regierung entlangschlängelt.

Tausende Berliner und Touristen zieht der Bundespressestrand in jeder Saison an. Doch nun soll diese Attraktion verschwinden, weil manchen Abgeordneten das nahe Stimmengewirr hin und wieder auf die Nerven geht, sie ums Image fürchten oder sich einige Spaziergänger am Ufer belästigt fühlen, wenn sie nur im Slalom an den Liegestühlen vorbeikommen.

Und das Bezirksamt Mitte geht vor diesem Lamento so schnell in die Knie, wie man es von kleinstädtischen preußischen Ordnungsbehörden kennt. Wo bleibt die großstädtische Gesinnung? Der Bundespressestrand darf nicht stranden – damit ein originelles, tolerantes Stück Berlin erhalten bleibt.

Achtung, dies ist das Outing eines Spaßverderbers. Nein, wir brauchen keinen Bundespressestrand. Da nervt zunächst die dutzendfache Variation der Idee „Ich freu mich über Sand im Schuh und kippe mir die Birne zu“. Es gibt kaum noch eine Freiluftkneipe, die ohne Kiesel-Geriesel auskommt. Liebe Wirte, wie wär’s mit was Neuem? Und wo bleibt die Ehrlichkeit? Wer um den Pressestrand jammert, der bangt nicht in erster Linie um die Arbeitsplätze, sondern um den Kontostand. Aber außer einem Recht aufs Geldverdienen muss es doch noch was geben. Wie das Recht der Allgemeinheit, die von ihr bezahlte Uferpromenade zu nutzen. Stattdessen wird die herrliche Anlage durch das Sammelsurium aus Liegestühlen, Tischen, Bänken und Sonnenschirmen entstellt. Wer dann nicht nur gucken, sondern auch promenieren will, den stellen die Wirte der Massenstrände vor die Wahl: Entweder Absturz (unterm Sonnenschirm) oder Absturz (in die Spree) – es gibt kaum ein Durchkommen am Strand. Zudem ist es alles andere als angenehm, an zechenden Gästen, schmokenden Grillrosten und dünstenden Mobil–Toiletten entlangzuspazieren. Nun mag das Argument kommen, das schnieke Regierungsviertel stürbe aus ohne Sand. Aber das ist Quatsch, denn die Gegend ist selbst im Winter voll. Da braucht es kein Bier am Pressestrand. Björn Seeling

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