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Pro & Contra: Sollte es ein Denkmal für missbrauchte Frauen geben? - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren wollten Berliner Christdemokraten der „ab Frühjahr 1945 in Berlin geschändeten Frauen“ gedenken. Die anderen Fraktionen im Abgeordnetenhaus fanden weder die Idee noch die Wortwahl angemessen. Ein Pro & Contra. Was Stefan Jacobs und Sigrid Kneist darüber schrieben.

Es war schon spät und das Konzentrationsvermögen der Parlamentarier entsprechend strapaziert, als vor zehn Tagen im Abgeordnetenhaus die Drucksache 16/3272 aufgerufen wurde. Doch das Thema war ernst genug, um die übliche Geräuschkulisse aus Gemurmel und Zwischenrufen verstummen zu lassen: „Ein Denkmal für die ab Frühjahr 1945 in Berlin geschändeten Frauen“, war der Antrag der CDU-Fraktion überschrieben. Mit ihm soll das Abgeordnetenhaus den Senat auffordern, bis Ende September „ein Konzept zur Errichtung eines Denkmals in Berlin für die ab Frühjahr 1945 von Soldaten der Besatzungsmächte vergewaltigten Frauen zu erstellen“.

Zur Begründung schrieben die Christdemokraten, dass „in Berlin allein weit über einhunderttausend Frauen“ im Jahr des Kriegsendes von „Soldaten der Besatzungsmächte, vor allem der sowjetischen“ vergewaltigt worden seien. Genaue Zahlen seien kaum zu ermitteln, weil viele „nach den Schandtaten ermordet“ worden seien oder sich selbst das Leben nahmen, „weil sie mit der Schande nicht leben konnten“. Andere litten und leiden ihr Leben lang, ohne dass ihrer öffentlich gedacht oder ihnen – soweit überhaupt möglich – in den 65 Jahren seit dem Ende des Naziregimes Gerechtigkeit zuteil geworden sei.

CDU-Fraktionsvize Michael Braun rief die anderen Fraktionen zur Diskussion über Details des Denkmals auf, doch er erntete einhellige Ablehnung: Der FDP- Kulturpolitiker Klaus-Peter von Lüdeke forderte, Vergewaltigungen als Kriegsprinzip uneingeschränkt zu ächten und befand auch die Wortwahl für problematisch: „Sie schreiben ,geschändet‘ und sagen ,vergewaltigt‘.“ Der Begriff, der den Opfern die Schande zuschreibt, missfiel auch anderen. Brigitte Lange, kulturpolitische Sprecherin der SPD, nannte den Antrag „empörend unbedarft“ und sah in der Beschränkung auf Berlin 1945 den Versuch, ein einseitiges Geschichtsbild zu zeichnen. Ähnlich äußerte sich der Linke Wolfgang Brauer. Die Grüne Alice Ströver gab zu bedenken, dass das Thema künstlerisch kaum umsetzbar sei.

„Das ist ja auch Sache der Künstler“, sagte Michael Braun, der Initiator des Antrags, am Sonnabend im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Trotz der Ablehnung im Parlament sieht er die Debatte eröffnet. „Wir sind nicht nur von Frauen angesprochen worden, sondern auch von Organisationen, die helfen.“ Selbst als hochbetagte Pflegefälle litten die Frauen – etwa, wenn sie gewaschen würden. Braun verteidigte auch die Wortwahl: „Die Frauen haben es oft als Schande empfunden“ – und deshalb geschwiegen. Inzwischen interessieren sich nach seiner Auskunft auch CDU- Bundestagsabgeordnete für das Thema, mit dem sich nun der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses befassen soll. Stefan Jacobs

PRO

Ja, es ist richtig der geschändeten Frauen zu gedenken. Und nein, das heißt nicht, dass man deshalb Naziverbrechen leugnet und das Leid, das sie über Europa brachten. Ungeschickt an dem CDU-Antrag zum Bau eines Denkmals für geschändete Frauen ist lediglich, dass hier Leid eingegrenzt wird auf einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit. Schade, denn dies lenkt vom Wesentlichen ab: den Verbrechen an Frauen in Kriegs-, Besatzungs- oder rechtslosen Zeiten. Vergewaltigung ist das perverse Pendant zur Vernichtung des Gegners. Beides verstößt gegen Völkerrecht, doch beides geschieht noch immer. Frauen leiden unter der körperlichen Gewalt, die ihnen angetan wird und am Mantel des Schweigens, der die Schändung zu verbergen hilft. Muslimische Frauen, vergewaltigt im Bosnienkrieg, wurden von ihrer Glaubensgemeinschaft verstoßen. Weil „Ungläubige“ sie berührten, sie ihre Unschuld verloren oder ein Kind des „Feindes“ austrugen. Deutsche Frauen, die in den letzten Kriegsjahren vergewaltigt wurden, klagten nicht über ihr Leid. Sollten sie schweigen, nur weil deutsche Männer massenmordend gewütet hatten? Sie verdrängten das erlebte Grauen. Gefühlskälte und Härte, vor allem gegen sich selbst, übertrugen diese Frauen an folgende Generationen – davon zeugt zum Beispiel Sabine Bodes Buch „Kriegsenkel“. Gedenken kann diesen Teufelskreis durchbrechen. Und dafür ist es höchste Zeit. Ralf Schönball

CONTRA

Schon allein die Wortwahl disqualifiziert das Anliegen: Frauen zu ehren, die Opfer von Vergewaltigungen geworden sind. Schändungen nennt es die CDU. Wer heutzutage von geschändeten Frauen spricht, hat es immer noch nicht begriffen. Nicht die Frauen sind es, die mit dem Begriff Schande in Zusammenhang gebracht werden sollten, sondern die Täter. Sie sind es, die Schandtaten begehen. Schon die Bezeichnung „geschändet“ bedeutet ja, dass jene Frauen gesellschaftlich stigmatisiert werden. Und damit werden sie weiter traumatisiert.

Das war auch nach 1945 nicht anders und führte dazu, dass Frauen über Jahrzehnte allein mit dem Schrecklichen fertig werden mussten, das ihnen widerfahren war. Über die Schande wurde nicht geredet. Erst in den letzten Jahren – auch durch Bücher wie jenes der „Anonyma“ – wurde das Tabu gebrochen.

Abgesehen davon zeigt der Antrag der CDU, an die „ab Frühjahr 1945 von den Soldaten der Besatzungsmächte vergewaltigten Frauen“ zu erinnern, ein mehr als befremdliches, weil relativierendes Geschichtsverständnis. Als ob man diese Verbrechen auf jenen Zeitraum beschränken dürfte und auf diesen Täterkreis, bei dem vor allem die sowjetischen Soldaten gemeint sind. Komplett ausgeblendet wird dabei, dass massenhafte Vergewaltigungen seit jeher ein besonders perfides Mittel in kriegerischen Auseinandersetzungen waren – und leider immer noch sind. Sigrid Kneist

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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