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Berlin: Sollen Einzelfahrscheine auch für die Rückfahrt gelten?

Absurd, aber wahr: Wer sich einen einfachen Fahrschein für den Nahverkehr kauft, erwirbt damit noch lange nicht das Recht, mit Bus oder Bahn dahin zu fahren, wo er will. Zumindest nicht, wenn er in der bezahlten Fahrzeit von zwei Stunden erst in die eine, dann in die andere Richtung fahren möchte.

Absurd, aber wahr: Wer sich einen einfachen Fahrschein für den Nahverkehr kauft, erwirbt damit noch lange nicht das Recht, mit Bus oder Bahn dahin zu fahren, wo er will. Zumindest nicht, wenn er in der bezahlten Fahrzeit von zwei Stunden erst in die eine, dann in die andere Richtung fahren möchte. Stattdessen schreiben uns BVG und S-Bahn vor, dass wir nur in die eine Richtung fahren dürfen; für die Rückfahrt müssen wir erneut eine Karte kaufen. Für die Autofahrer unter den Lesern: Das wäre so, als könnten Autos serienmäßig nur vorwärts fahren; den Rückwärtsgang gibt es nur gegen einen saftigen Aufpreis. Muss man da noch begründen, wieso die realitätsferne Beschränkung bei Bahnen und Bussen geändert werden muss? Offenbar ja, denn die Einweg-Verfechter stehen auf dem Standpunkt, dass nur wenige Nahverkehrskunden mit einem Einzelfahrschein innerhalb von zwei Stunden hin und her fahren und daher die anderen für sie mitzahlen. Das mag ja zutreffen – aber würden wir, um beim Autovergleich zu bleiben, weniger befahrene Straßen schließen, nur weil die Mehrheit der Autofahrer andere Straßen benutzt? Eben nicht. Genauso muss es auch jedem Fahrgast selbst überlassen bleiben, in welche Richtung er mit den Bahnen und Bussen fährt, die er durch den Kauf seines Tickets mitfinanziert. So viel Selbstbestimmung mag für staatliche Unternehmen irritierend sein. Dennoch sollten auch sie sich vor allem als Dienstleister für ihre Kunden verstehen.

Klingt verlockend: Vielleicht zehn oder zwanzig Cent mehr und dafür eine ganze zusätzliche Strecke nutzen können. Klingt fast wie geschenkt. Von Vorteil ist der Einzelfahrschein, der Hin- und Rückfahrt erlaubt, aber offenbar nur für eine Minderheit der Berliner. Nur zehn bis zwölf Prozent nutzten das Angebot, innerhalb von zwei Stunden zu einem Ziel und wieder zurückzufahren. Das haben die Statistiker herausgefunden. Das war ein Grund für die Abschaffung des Hin- und Rückfahrtickets vor drei Jahren. Die meisten lassen das Auto oder das Fahrrad wohl für die Fahrt ins Büro in der Innenstadt stehen, wo die Parkplätze knapp oder teuer sind. Dann fahren sie morgens zur Arbeit und abends zurück. Vom Fahrschein in beide Richtungen profitieren nur die, die mal eben eine Besorgung machen wollen. Denn weder zum richtigen Spaziergang noch zur ordentlichen Einkaufstour reichen zwei Stunden aus. 90 Prozent der U- und S-Bahnfahrer müssten also für den Nutzen der zehn Prozent zahlen. Gerecht wäre das nicht. Darüberhinaus profitieren vor allem das Land und die Verkehrsunternehmen, da der Hin- und Rückfahrschein ein willkommener Anlass wäre, den Preis für den Einzelfahrschein deutlich zu erhöhen. Außerdem: Ob bei Flügen oder bei Reisen mit der Bahn in die Ferne: Überall kauft man nur dann ein Ticket für beide Richtungen, wenn man auch tatsächlich hin und zurück fahren will. Claudia Keller

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