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Berlin: Sonntags um 10: Dichter der Demut

Mächtig hallen die Posaunen im Gewölbe der Nicolaikirche. Sie erklingen zu Ehren des Kirchenlied-Dichters Paul Gerhardt.

Mächtig hallen die Posaunen im Gewölbe der Nicolaikirche. Sie erklingen zu Ehren des Kirchenlied-Dichters Paul Gerhardt. Zu seinem 325. Todestag lud die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg am Sonntag gemeinsam mit der Paul-Gerhardt-Gesellschaft zu einem Gedenkgottesdienst in das Gotteshaus. Bis auf den letzten Platz ist die Kirche, die heute zum Stadtmuseum gehört, gefüllt, unter den Ehrengästen sitzt auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Es gilt, einen der bedeutendsten Lieddichter der evangelischen Christenheit zu feiern. Gerhardt, der lutheranische Theologe aus dem sächsischen Gräfenhainichen, der von 1643 bis 1651 in Berlin als Hauslehrer und Diakon an der Nicolaikirche wirkte, schrieb mehr als 130 Lieder, viele von ihnen gingen "in die ganze Welt hinaus", wie Probst Karl-Heinrich Lütcke in seiner Begrüßung sagt, "auch zu jenen, die sonst nicht mehr so viel mit der Kirche zu tun haben". Selbst wer den Namen des Dichters nicht kenne, sei mit Liedern wie "Geh aus, mein Herz" vertraut, das die Gemeinde freudig erklingen lässt.

Bischoff Wolfgang Huber macht in seiner Predigt deutlich, dass es mit dem evangelischen Liedermacher, dessen Werke "zu den bekanntesten poetischen Texten der deutschen Sprache zählen", zugleich ein Vorbild im Gottvertrauen zu ehren gilt. "Befiehl du deine Wege der allertreusten Pflege und was dein Herze kränkt, des, der den Himmel lenkt". Zeit seines Lebens habe Gerhardt unbeirrt auf Gottes Güte vertraut, sagt Bischoff Huber. Und es klingt das protestantische "Trotzdem" mit, wenn Huber daran erinnert, dass Gerhardt selbst allen Grund gehabt hätte zu wanken in diesem Gottvertrauen. Vier seiner fünf Kinder starben vor der Zeit, wie seine Frau, die jüngste Tochter des Kamergerichtsadvokaten Berthold, in dessen Haus Gerhardt seine spätere Frau als Hauslehrer kennengelernt hatte.

"Gottvertrauen weckt Widerspruch aus dem Geist des Vertrauens des Menschen auf sich selbst", sagt Huber. Und er zitiert Bertolt Brechts Adaption des Gerhardt-Liedes als Lobgesang auf das Selbstvertrauen, das sich dem Gottvertrauen trotzig entgegenstelle. Doch Gerhardts Beispiel zeige, Gottvertrauen sei kein "oberflächliches Vertrauen", sondern "widrigen Erfahrungen abgerungen" - und menschlicher Demut, über die Paul Gerhardt ebenso eindringlich dichtete: "Ach, ich bin viel zu wenig, zu rühmen seinen Ruhm; der Herr allein ist König, ich eine welke Blum."

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