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SONNTAGS um zehn: Dank für eine reiche Ernte

Gethsemane-Kirche erinnert an friedliche Revolution

Die Scheinwerfer waren schon an, als die Kameraleute noch einmal die letzten Einstellungen durchgingen. Auch Kirchenmusikdirektor Christoph Zschunke probte mit den Gottesdienstbesuchern in der voll besetzten Gethsemanekirche der Evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Berg-Nord noch ein paar Lieder. Bei einem Fernsehgottesdienst, den das ZDF zum Erntedankfest aus der Backsteinkirche an der Stargarder Straße übertrug, muss alles stimmen. Die Handys wurden ausgeschaltet und zappelige Kinder auf den Schoß genommen.

Das Proben hat sich ausgezahlt. Glatt und fehlerfrei verlief der Gottesdienst. Vor allem das Kinderchor-Ensemble und die Kantorei brillierten in der Kirche, die wie kein anderes Berliner Gotteshaus für die friedliche Revolution in der DDR, für Kerzen und Friedensgebete steht. „Wir haben Mahnwachen gehalten und Dona nobis pacem gesungen, als Antwort auf Schlagstöcke und Hundestaffeln“, sagte Pfarrer Heinz-Otto Seidenschnur im Gottesdienst, während über dem Altar ein großes Transparent an das Motto von damals, „Wachet und Betet“, erinnerte. Auch Bischof Wolfgang Huber bezog sich in seiner Erntedank-Predigt auf die Ereignisse des Herbstes 1989. „In Gethsemane haben sie Angst, und richten sich aneinander auf, sie wachen und beten“, schildert der Bischof die Situation, die eine ganze Reihe Kirchgänger noch selber miterlebt hat. „Hier wird die Freiheit gesät, die wir heute mit Freuden ernten.“

Und der Bischof erinnert an Jesus Christus. In der Nacht vor seiner Hinrichtung kam auch er nach Gethsemane, ein alter verwilderter Garten in Jerusalem, um zu wachen und zu beten. „In diesem Garten sagt er schließlich: Es ist genug, die Stunde ist gekommen“, sagt der Bischof. Ähnliches dachten wohl auch die Bürgerrechtler, die 1989 die Gethsemanekirche zur „Nachrichtenzentrale der Opposition“ machten. „Die Ernte kann sich sehen lassen“, sagt Huber zwanzig Jahre später. „Aus kleinen Senfkörnern wurden Hoffnungsgeschichten, sie haben Dich und mich, sie haben unser Land verändert.“ Heute dagegen steckt Deutschland in der Wirtschaftskrise. Doch auch in dieser Situation helfe der Dank für das Erreichte, sagte Huber. „Das Danken hilft uns dabei, nicht nur an uns selbst zu denken.“ Gerade aus der Geschichte der Gethsemanekirche könne man lernen, „die Würde des anderen zu schützen, für die Grundlagen der gemeinsamen Freiheit einzutreten und ein Vertrauen zu wagen, das verbindet.“ Benjamin Lassiwe

Bis zum 18. November erinnert die Ausstellung „Wachet und betet“ in der Gethsemanekirche an die Ereignisse des Herbstes 1989. Sie ist Montag – Freitag von 14 bis 18 Uhr und sonntags nach dem Gottesdienst bis 17 Uhr geöffnet. Infos: www.ekpn.de

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