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SONNTAGS um zehn: Die Pompöse

Wie der Berliner Dom den 20. Jahrestag seiner Wiedereinweihung zelebrierte.

Der Bischof predigt. „Ja, es stimmt“, sagt er, „Gottes Wahrheit braucht keine Dome.“ Dabei steht er selbst gerade in einem. Der Gottesdienst ist da schon eine halbe Stunde alt, und seine Besucher haben sich bereits davon überzeugen können, dass auch eine Kirchenorgel, ein Kirchenchor und ein Kirchenbläserensemble keinen Dom brauchen, aber zumindest dieser hier ihrem Klang eine Weite gibt, eine feierliche Gelassenheit, die auf Gottes Wahrheitsverkündung allerbestens vorbereitet. Der Berliner Dom, außen schwarz gerußt, innen strahlend, feiert den 20. Jahrestag seiner Wiedereinweihung.

Markus Dröge, Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, ruft die Skepsis in Erinnerung, die im Juni 1993 hier drinnen herrschte. „Die Wahrheit braucht keine Dome, das liebe Evangelium kriecht in jeder Hütte unter und hält sie warm“, sagt er und zitiert damit einen der Festredner von damals. Die Evangelische Kirche brauche ebenfalls keine Dome. Bescheidenheit stünde ihr an. Alles gesagt worden damals, im Angesicht der Menschen, die diesen Dom gerade wieder aufgebaut hatten. Martin Luther hat bei einer Kircheneinweihung einmal ähnlich geredet.

Der Berliner Dom. Grundsteinlegung 1894, Gegenpol zum gerade fertig werdenden Reichstagsgebäude am anderen Ende der Straße Unter den Linden. Dort hinten die neue Volksvertretung, hier, zwischen Schloss und Museen, die neue Riesenhofkirche der Hohenzollern. Wilhelm II. wollte keinen Zweifel daran lassen, wo aus seiner Sicht das Gravitationszentrum des Deutschen Reiches lag. Dann kamen die Weltkriege, der zweite hinterließ eine Domruine, 1975 schließlich begann der Wiederaufbau.

War der umsonst? Und wenn ja, warum sind die Kirchenbänke trotzdem voll an diesem Sonntagvormittag? Dröge findet die Antworten darauf im Neuen Testament, im Brief des Paulus an die Gemeinde in Ephesus. „So seid nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ Er meint: Ihr seid – trotz des ganzen Glanzes hier drinnen – viel wichtiger als dieses Haus. Ein Haus, „erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist“. Der wahre Bau, sagt Dröge, seid nämlich ohnehin ihr, ihr Menschen aus Fleisch und Blut. Und die Zeiten kaiserlicher Pracht, sagt Dröge, die Zeiten der Eintracht von Thron und Altar, seien lange vorüber.

„Ja, es stimmt, Gottes Wahrheit braucht keine Dome.“ Das liebe Evangelium kriecht in jeder Hütte unter. Aber eben auch hier. Der Dom ist nun einmal da. Nutzt ihn also, sagt Dröge. Füllt ihn mit Leben. So wie ihr es in den vergangenen 20 Jahren gemacht habt. Mit Gottesdiensten, Gesprächen und Konzerten.

Auf der anderen Straßenseite wird am Mittwoch wieder ein Grundstein gelegt. Wieder für ein mächtiges Gebäude, für den Nachbau des Hohenzollernschlosses. Beschlossen von den Volksvertretern, aber nach Umfragen abgelehnt von einer Mehrheit des Berliner Volkes. Es ist, wenn man so will, die gleiche Skepsis spürbar wie im Dom im Jahr 1993. Wird sie verschwinden? Die Zeiten der Eintracht von Thron und Altar mögen vorüber sein, die der Eintracht zwischen Bürgern und Parlament warten noch auf ihren Anbruch. Torsten Hampel

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