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Willkommens-Info in Grün. Die Farbe der Hoffnung ist die Farbe der Assembly, und das Dreieck ist ihre Form.

© ari

Sonntags um zehn: Ein Gottesdienst ohne Gott

Atheisten feiern ihre „Sunday Assembly“ - ohne Gott, aber mit gottesdienstähnlichen Formen.

Die Kirchen läuteten am Sonntag die Zeit ein, in der sie sich auf Jesu Geburt freuen können – und auf die Zeit wachsender Besucherzahlen: vier Wochenenden, in denen sich auch viele Kirchenferne von den Resten ihrer Religionsverbundenheit den Weg Richtung Gotteshaus weisen lassen. Viele, aber nicht alle.

Eine gute Hundertschaft Kirchenferner traf sich an diesem ersten Advent zur dritten „Sunday Assembly“ in Berlin, einer Art Gottesdienst ohne Gott. Wobei das terminliche Zusammentreffen unbeabsichtigt war. Die Assembly treffe sich jeweils am vierten Sonntag eines Monats, dass dies 2014 nun ausgerechnet der erste Advent war – Zufall, sagt Sue Schwerin von Krosigk, Drehbuchautorin und Berliner Assembly-Gründerin. Und nein: Man habe mit Gott und Kirche nichts zu tun, wolle auch nichts daran kritisieren, sondern etwas ganz anderes machen, eher naturwissenschaftlich-philosoph orientiert. Doch erinnerten dann Struktur der Veranstaltung und Fußkälte des kleinen Festsaals im Haus des „Akademischen Vereins Hütte“, einer nichtschlagenden, nichtreligiösen Studentenverbindung, durchaus an Gottesdienste.

Gesungen wird auch - Queen und Bill Withers

Um 14 Uhr geht es los, Sue Schwerin von Krosigk sagt allen Guten Tag und fragt, wer zum ersten (die meisten), zweiten oder dritten Mal (je 50:50) dabei sei. Dann nehmen die „Spandau Voices“ Aufstellung und singen natürlich keine Kirchenlieder, aber Beseeltes wie „Lean on me“ von Bill Withers oder „Don’t stop me now“ von Queen. Mitsingen möglich, aber bei der Liederauswahl nicht ganz einfach.

Als erster Redebeitrag wird von Anna-Lena aus dem fast bibelähnlichen Buch „Der kleine Prinz“ vorgelesen, es folgt als Gast Karina Berg von der „Bernauer Tafel“, die zum Thema „Geben und Nehmen“ spricht. Sie bemüht sich um den richtigen Ton, für den es noch keine Vorlage, kein Muster gibt, und schwankt zwischen pastoralem Timbre und ergriffener Schilderung von Beispielen – manchem Assemblisten ist das zu getragen. Das wollte man ja nun gerade nicht.

Zwei britische Komiker erfanden die Bewegung

In den mittleren Stuhlreihen sitzt Sabine, 40, die „Sunday Assemblies“ aus Edinburgh kennt und sich deshalb auch für die Berliner Version interessiert. Ihr fehlen die Musikband, die das unbekümmerte Mitsingen erleichtern würde, das freudige Feiern – und der Witz, den sie in Edinburgh vernommen hatte.

Erfunden wurden die sonntäglichen Religionsersatzübungen im vergangenen Jahr nämlich von zwei britischen Komikern: Sanderson Jones, einem vollbärtigen Mann, der aussieht wie Jesus höchstpersönlich und dessen Twitterlosung „Constantly exited by life“ lautet, und Pippa Evans, die zwar Maria kein bisschen ähnelt, dafür aber für vier Comedy-Preise nominiert war und einmal den zweiten Platz schaffte. Jones’ und Evans’ Berufe haben sich auch im „About Us“ des Dachverbands niedergeschlagen: „100% celebration of life. We are born from nothing and go to nothing. Let’s enjoy it together.“ Wir kommen aus dem nichts und gehen ins Nichts, lasst uns das zusammen genießen, heißt es dort. Und ist nicht dieser Wunsch nach Gemeinsamkeit genau das, was auch Religion ist? Eine Stärkung für das Ich, eine Vergewisserung, dass es Gutes gibt in der Welt, auf das man vertrauen kann?

Besser leben - und lächeln, bis man froher ist

Zum zweiten Wortbeitrag tritt dann Frank ans Mikro. Die Rubrik heißt „x/y is doing his best“, jemand gibt sein Bestes. Frank erzählt davon, wie er eine Tiefphase überstand, indem er sich zum Lächeln zwang, so lange, bis er spürte, dass ihm das freundliche Gesicht tatsächlich half. Allen Verstimmten rät er, sich einen Bleistift in den Mund zu legen – so wie er jetzt: zack! beißt er auf einen Stift – und sich so im Spiegel anzuschauen. Die Versammelten lachen. Ihm folgt die Ankündigung der nächsten Assembly (am 21. Dezember findet ein Winter-Singalong in Kreuzberg statt) und abschließend tritt der Paartherapeut Christian Lisker auf, der launig über „Altruismus ohne Moralin“ spricht, über das gesunde Maß an Egoismus, und schließt mit „Don’t be nice, be real“. Damit ist auch die Edinburgh-Reisende zufrieden.

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