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SONNTAGS um zehn: Ein Triumph vor dem Verrat

Palmsonntag in der katholischen Gemeinde St. Marien in Wilmersdorf

Palmsonntag ist ein sehr zwiespältiger Tag im Kirchenjahr. Einerseits wird der triumphale Einzug Jesu’ in Jerusalem gefeiert – mit Prozession, Palmwedeln und Hosianna. Andererseits beginnt mit Palmsonntag die Karwoche, in der sich die Christen an das Leiden und die Kreuzigung Christi erinnern. In der katholischen Gemeinde St. Marien am Bergheimer Platz in Wilmersdorf ging der Jubel-Aspekt des Tages allerdings etwas unter.

Um zehn Uhr hatten sich rund hundert Erwachsene und 60 Kinder vor dem Pfarrhaus gegenüber der Kirche versammelt. Die Kinder wedelten stolz mit Buchsbaum- und Weidenkätzchenzweigen, die sie mit bunten Kreppbändern geschmückt hatten und die an die Palmwedel in Jerusalem erinnern sollen, an die Zeichen des Sieges. Ein paar Minuten später zogen dann die Ministranten mit echten Palmblättern und der Pfarrer mit dem geschmückten Kruzifix über die Straße vor das Pfarrhaus. Es mag an den Regentropfen gelegen haben, vielleicht auch an Schüchternheit oder der Sorge, mit lautem Gesang die Nachbarn aus dem Bett zu holen, jedenfalls fielen die Jubelrufe recht dünn aus und die Segnung der Palmblätter ging so schnell, dass die weiter hinten Stehenden davon nichts mitbekamen. Danach prozessierten alle einmal halb um die Kirche herum und zogen in das Kirchenschiff ein.

Dort warteten schon viele andere, der runde Bauch der Kirche füllte sich schnell. Mit verteilten Stimmen wurde nun die Leidengeschichte Jesu aus dem Lukas-Evangelium gelesen – vom letzten Abendmahl bis zur Kreuzigung und Grablegung. Der Pfarrer las die Hauptrolle, Jesus, und er hätte wohl noch etwas mehr Verve in seine Stimme und Betonung legen können. Aber auch so berührte die Liturgie, in der sich Lesung und Gesang abwechselten. Eine Predigt ist in der katholischen Kirche für diesen Tag nicht vorgesehen. Der Pfarrer erinnerte aber daran, dass der Tag in seiner Zwiespältigkeit auf die „Wankelmütigkeit einer Volksmenge“ hinweist. Denn während die Jerusalemer noch an Palmsonntag Jesus als ihrem König zujubelten, stimmten sie wenige Tage für seinen Tod. „O Herr, nimm unsre Schuld, mit der wir uns belasten“, sang die Gemeinde. Kommenden Sonntag wird Auferstehung gefeiert. Claudia Keller

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