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Sonntags um zehn: Kinder Gottes beten für den Feind

Gottesdienst in der evangelischen Trinitatiskirche in Charlottenburg

Wie ausgestorben lag gestern Vormittag der bürgerliche Kiez um den Karl-August-Platz in Charlottenburg. Nur die Glocken von der roten Trinitatiskirche mitten auf dem herbstlich bunten Platz riefen laut in die sonntägliche Stille hinein. Friedfertige Menschen scheinen hier zu leben – sogar die Fremde wurde gestern im Vorbeigehen von den wenigen Passanten freundlich mit einem „Guten Morgen“ gegrüßt. So, als ob man schon die Predigt verinnerlicht hätte, die dann Ingrid von Schroeder in dem evangelischen Gotteshaus hielt, das am 11. Dezember 1898 von Kaiserin Auguste Viktoria eingeweiht worden war.

Um Gutes ging es gestern, Gutes, mit dem man das Böse überwinden soll. Die Pfarrerin versuchte den Zuhörern im nicht schlecht besuchten Sonntagsgottesdienst zu vermitteln, wie man verstehen soll, was Jesus im 5. Kapitel des Matthäusevangeliums fordert. Es geht darum, dass man seine Feinde lieben soll, statt sich Auge um Auge und Zahn um Zahn zu behaupten. Schlägt einem jemand auf die rechte Wange, soll man auch noch die andere hinhalten. Einfach ist das sicherlich nicht.

Wird da nicht zu viel verlangt, fragte die Pfarrerin die Gemeinde. Sollen wir Diebe und Mörder gewähren oder uns von schlechten Menschen ausnutzen und ausnehmen lassen? Ist Jesus mit diesen Forderungen ein Anarchist? Natürlich nicht, führt die Pfarrerin in der Predigt aus. Gehe es Jesus doch nicht um die unter Menschen notwendigen Gesetze, sondern um die Gebote Gottes. Und damit nicht nur um unser Verhältnis zu anderen Menschen, sondern vor allem um unser Verhältnis zu Gott. Lässt doch Gott die Sonne aufgehen über Bösen und Guten und es regnen über Gerechten und Ungerechten.

Im Sinne Gottes zu handeln, bedeute, nicht um jeden Preis auf dem eigenen Recht zu bestehen, sondern nach der besten Lösung zu suchen, damit ein Konflikt nicht eskaliert. „Gott hat mich lieb, aber die anderen hat er auch lieb“ – mit dieser Erkenntnis könne man Unrecht auch mal schweigend dulden, sagte Ingrid von Schroeder. Wenn wir für den anderen beten und zur Vergebung bereit sind, „dann sind wir Kinder Gottes in seinem Sinne und streben sein Reich immer ein wenig mehr an“. Das wollten gestern alle gern. Heidemarie Mazuhn

Heidemarie Mazuhn

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