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"O du fröhliche" wurde gemeinsam gesungen.

© Claudia Keller

Sonntags um zehn: Öffnet die Türen weit

Sternsinger bringen Freude, doch einige Katholiken der Gemeinde Herz Jesu schauen sorgenvoll ins neue Jahr.

„Das Leben ist ein Kampf“ ist in altdeutscher Schrift in einen Türbogen des mächtigen Charlottenburger Rathauses gemeißelt. Im Supermarkt dahinter geht’s „immer dienstags um die Wurst“. Aber sonntags um zehn ist es still im Rathaus und drumherum. Die einzigen, die durch die eisige Kälte huschen, sind Katholiken auf dem Weg zum Gottesdienst in die Kirche Herz Jesu. Und das sind ganz schön viele.

In Herz Jesu sind die Kirchenbänke nicht nur zu Weihnachten voll, sondern auch noch am 3. Januar – mit älteren und jüngeren Menschen und ein paar Familien mit kleinen Kindern. Die Messdiener ziehen heute mit einem Dutzend Sternsinger in die Kirche ein. Sie haben sich in leuchtend bunte Gewänder gehüllt, tragen Kronen auf dem Kopf und Spendenbüchsen in den Händen. 600 Euro haben diese kleinen Nachfolger der Heiligen Drei Könige am Sonnabend gesammelt. Das Geld kommt bedürftigen Kindern in Lateinamerika zugute.

Aber bevor die Sternsinger zu Gitarrenmusik „Gloria, öffnet die Türen weit, es ist Sternsingerzeit“ singen, wünscht Pfarrer Stefan Samerski der Gemeinde ein gutes neues Jahr und erinnert daran, dass Jesus Christus nicht nur zu Weihnachten als Kind in der Krippe liegt, sondern Menschen das ganze Jahr über begleitet. „Er zeigt uns den Weg, der verlässlich ist, uns Kraft und Mut gibt“, sagt Samerski. Wer auf ihn vertraue, brauche sich nicht ganz so viele Sorgen um Familie und Karriere, um Gesellschaft und Weltpolitik zu machen.

Sternsinger sind da

Es folgen drei Lesungen aus der Bibel, zuletzt aus dem Johannesevangelium: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“ Es sind schwer zu verstehende Sätze über die Erschaffung der Welt. Pfarrer Samerski hätte sicher viel darüber zu sagen. Er ist Kirchenhistoriker und von der Universität München ausgeliehen, um in Berlin die Pfarrersausbildung voranzubringen. Doch an diesem Sonntag predigt Samerski nicht.

Dafür sind die Sternsinger da: kleinere und größere, sie singen und segnen das Haus und zeigen, dass zum Glauben nicht nur abstrakte Theologie gehört, sondern vor allem ein offenes Herz und die Freude am Mittun. „Ich fand es besonders nett, dass uns die alten Leute so angelächelt haben“, platzt es aus einem Mädchen heraus. Noch bis zum 6. Januar ist es mit den Sternsingern unterwegs.

Zum Abschluss schmettern alle ein herzhaftes „O du fröhliche“, dann geht es im Pfarrsaal mit dem Neujahrsempfang weiter. Auch Afrikaner aus der frankophonen Nachbargemeinde sind gekommen. Sie bringen viel Lebendigkeit und Weltläufigkeit mit, erzählt die Pfarrsekretärin. Die Gemeindefusion habe gut getan.

Einige schauen mit Sorge ins neue Jahr

Doch einige Katholiken schauen mit Sorge ins neue Jahr. Weitere Fusionen stehen an, die Umstrukturierung des Erzbistums, die der frühere Kardinal Rainer Maria Woelki angestoßen hat, wird wohl auch unter dem neuen Erzbischof Heiner Koch weitergehen.Der Pfarrverband, zu dem Herz Jesu gehört, hat schon 10 000 Mitglieder und „wechselnde Halbzeitpfarrer“, wie es ein Mitglied ausdrückt. Mindestens noch einmal so viele Mitglieder sollen dazu kommen. Ob es dann überhaupt noch Gottesdienste hinterm Charlottenburger Rathaus geben wird oder alle in eine weiter entfernte Kirche fahren müssen?

Sie hoffe, dass Erzbischof Koch die abstrakten Strukturdebatten bald mit Leben füllen werde, sagt die Pfarrsekretärin. Doch wichtiger als Strukturen seien der Glaube und die Hilfe für andere. Immer wieder stehen Obdachlose und Flüchtlinge bei ihr vor dem Büro. „Ihnen den Weg zu weisen, das ist unsere Aufgabe“, sagt die Mitarbeiterin – und klingt recht zuversichtlich.

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