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© Thilo Rückeis

SONNTAGS um zehn: Stille im Getümmel

Die WM-Sportler waren emotional extrem gefordert – Geistliche unterstützten sie.

Es ist morgens um zehn. Die Stimme von Bernhard Felmberg, evangelischer Bevollmächtigter beim Bund und der Europäischen Union und ehrenamtlicher Pfarrer in der Kapelle des Olympiastadions, klingt gut gelaunt und ausgeruht. Trotz der anstrengenden WM, die jetzt so gut wie hinter ihm liegt. Felmberg ist gerade auf dem Weg zu einer Taufe am bayrischen Tegernsee, hat aber noch Zeit, am Telefon von seinen WM-Eindrücken zu berichten. Im Olympiastadion selbst findet an diesem letzten Wettkampftag kein Gottesdienst statt. Dort wurde aus organisatorischen Gründen in den letzten neun Tagen nur ein einziger gefeiert, unter schwedisch-norwegischer Leitung.

Trotzdem hatten Felmberg und seine Kollegen – rund zwanzig christliche Geistliche aus ebenso vielen Nationen – während der WM jede Menge zu tun: Sie betreuten die sogenannten „Oasis of Silence“, die Räume der Stille, in den beiden Athletenhotels und waren auf den Aufwärmplätzen und auf der Athletentribüne im Stadion bei den Sportlern. Als Seelsorger waren sie auch in der Stadionkapelle präsent, wo die Athleten Bibelverse in 18 Sprachen erwarteten. „Wir befanden uns dort allerdings mitten in der „Mixed Zone“ für Journalisten und Athleten, so dass viele etwas gehemmt waren“, erzählt Felmberg.

Trotzdem habe es rührende Szenen gegeben: Sportler, die nach einer Niederlage versuchten, sich im Gebet wieder zu fassen. Und andere, die sich nach einer guten Leistung vor Freude auf den Boden warfen. „Die emotionale Belastung für die Athleten während einer so wichtigen Sportveranstaltung ist extrem“, sagt Felmberg. Die meisten führen eben ohne Siege wieder nach Hause, und Gefühle persönlichen Versagens wirkten lange nach. Besonders die Pechvögel hätten lange an ihren Erlebnissen zu knabbern, wie zum Beispiel die vier deutschen Athleten der verpatzten 4-mal-100-Meter-Staffel. „Im Fernsehinterview danach wirken sie vielleicht noch gefasst“, so Felmberg. „Wenn aber irgendwann die Seele nachkommt – dann gute Nacht.“ Was sagt er einem Athleten in dieser Situation? „Als Seelsorger kann man nur versuchen zu vermitteln, dass das eigene Leben und die persönliche Würde nicht von einem Sieg abhängig sind“, sagt Felmberg. Der Tunnelblick des Sportlers müsse durchbrochen werden.

Für Felmberg, der sonst die Gottesdienste vor den Heimspielen von Hertha BSC leitet, war es die erste Begegnung mit der deutschen Leichtathletik. Und er habe diese intensive Zeit sehr genossen, resümiert der 44-Jährige: „Es war beeindruckend zu sehen, welches Vertrauen zwischen einigen Geistlichen und Athleten herrscht.“ 

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