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© David Aussenhofer

Soziale Umschichtungen: Berliner Stadterneuerung - Krise oder Chance?

Die Veränderungen in Sanierungsgebieten wie Prenzlauer Berg werden kontrovers diskutiert - auch von der Politik. An einer Ausstellung zur Stadterneuerung rund um den Kollwitzplatz wird das besonders deutlich.

Die Entwicklung Berlins in jenen Stadtteilen, die besonders stark von Sanierung und sozialen Umschichtungen betroffen sind, wird nicht nur unter Anwohnern kontrovers bewertet. Auch die Politik ist sich nicht einig, wie die Entwicklung der betroffenen Viertel zu sehen ist. Das wurde am Montag deutlich, als Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und ihr bezirklicher Amtskollege, Stadtrat Michal Nelken (Linke) in Prenzlauer Berg eine Ausstellung zur Stadterneuerung rund um den Kollwitzplatz eröffneten.

Während Junge-Reyer die Veränderungen in diesem besonders dicht besiedelten Gebiet als Erfolgsmodell dafür lobte, wie ein „lebendiger, lebenswerter Stadtteil erhalten“ wurde, sprach Nelken von „sozialer Verdrängung“, von „Entmischung“ und beklagte, dass in sanierten Häusern nach dem Ausbau „zwischen 90 und 100 Prozent“ neue Mieter einziehen.

Belege für die jeweilige Sicht konnten in der Ausstellung „15 Jahre Stadterneuerung Kollwitzplatz 1993 – 2008“ sowohl die Senatorin als auch der Stadtrat finden. Nach den vom Bezirk und der Stadterneuerungsgesellschaft „Stern“ erarbeiteten Stelltafeln leben heute im Sanierungsgebiet (dessen offizieller Förderstatus vor knapp zwei Monaten auslief) zehn Prozent mehr Menschen als noch vor 15 Jahren. Das bezeichnete Junge-Reyer als „wesentlichen Erfolg“ der sozialen Stadterneuerung. Zwar gebe es hier und in anderen Vierteln der Stadt gelegentlich Streit über das Verhältnis von Alteingesessenen und Zugezogenen. Junge-Reyer zeigte sich überzeugt davon, dass es gerade diese Mischung ist, die Berlin lebendig mache.

Stadtrat Nelken hingegen erinnerte an Debatten nach dem Mauerfall, in denen Anwohnerinitiativen davor warnten, die „gewachsene soziale Struktur“ zu erschüttern, indem bisherige Bewohner durch überhöhte Mieten „vertrieben“ würden. Viele dieser Befürchtungen seien eingetreten, sagte Nelken: „Es hat eine starke soziale Entmischung gegeben.“

Das wiederum provozierte Widerspruch vor allem bei Junge-Reyer und sozialdemokratischen und grünen Bezirksverordneten, von denen einer Nelken als „alten Barrikadenkämpfer“ verspottete.

Die Stadtentwicklungssenatorin wies Nelkens Interpretation der Zahlen zurück und sagte, dass sich sowohl die Mieten als auch die Fluktuation in Prenzlauer Berg „im vergleichbaren Durchschnitt der Stadt“ bewegten.

Weit über dem Berliner Durchschnitt hingegen, auch das zeigt die Ausstellung, liegt in Prenzlauer Berg die Dichte, also die Zahl von Einwohnern pro Hektar: Während der Schnitt stadtweit bei 38 liegt, stieg rund um den Kollwitzplatz und andernorts die Dichte binnen 15 Jahren von 177 auf 188 Menschen pro Hektar. Überdurchschnittlich hoch ist auch das Engagement der Bewohner für ihr Viertel. Das zeigen vor allem die Fotos auf den Schautafeln, auf denen man auch einen 15 Jahre jüngeren Wolfgang Thierse entdecken kann, der bei einer sommerlichen Bürgerversammlung in seinem Viertel mit am Biertisch sitzt.

Unabhängig davon, wie man die Veränderungen in diesem und anderen Sanierungsgebieten bewertet – imposant ist der Umfang der Erneuerung allemal. So wurden in dem in der Ausstellung präsentierten Areal in 15 Jahren sieben von zehn Wohnungen modernisiert und instandgesetzt, 40 Brachflächen mit Leben gefüllt und knapp 1000 Wohnungen neu gebaut. Die Diskussion über das Für und Wider der Veränderungen ist damit noch lange nicht vorbei. „Zu so einem Prozess gehören Auseinandersetzungen einfach dazu“, sagte Junge-Reyer.

Ausstellung „15 Jahre Stadterneuerung, Kollwitzplatz 1993 – 2008“, Aula (3.OG) des Bildungszentrums Prenzlauer Allee 227, bis 30. April täglich von 13 bis 19 Uhr

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