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Sozialgericht: So viele Hartz-IV-Klagen wie noch nie

Bis Juni klagten 70.000 Berliner gegen die Hartz-IV-Gesetze, im vergangenen Monat kam eine Rekordzahl an Verfahren hinzu. Mehr als jeder Zweite erzielt einen Erfolg. Sind die Gesetze "vermurkst ", wie Berlins Justizsenatorin klagt? Diskutieren Sie mit!

Die Zahl der Klagen gegen "Hartz IV" hat eine neue Rekordmarke erreicht. Im Juli gingen 2684 neue Verfahren beim größten deutschen Sozialgericht in Berlin ein, so viele wie noch nie in einem Monat seit Inkrafttreten der Reform Anfang 2005, wie ein Sprecher am Mittwoch mitteilte.

Mehr als jeder zweite "Hartz IV"-Empfänger erzielte nach Angaben des Gerichts im Zeitraum von Januar bis Juli zumindest einen Teilerfolg. Im Jahr 2008 lag die Quote bei 48 Prozent. Ursache für die im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten überdurchschnittliche Quote von Erfolgen waren vielfach Form- und Verfahrensfehler der Behörden.

Verfahren um Mietkosten im Vordergrund

Anlass für Rechtsstreitigkeiten bieten nach Angaben des Sprechers insbesondere die Kosten der Unterkunft. Dabei gehe es beispielsweise um die Frage, welche Miete "angemessen" sei und daher von den Jobcentern übernommen werden müsse. In anderen Fällen wollten "Hartz IV"-Empfänger in eine neue, teurere Wohnung umziehen, während das Jobcenter diesen Umzug nicht für "erforderlich" halte. Daneben geht es häufig um Anrechnungen von Einkommen und um Sanktionen wegen Pflichtverletzungen.

Die Begriffe "angemessen" und "erforderlich" sind dem Sprecher zufolge im Gesetz nicht näher konkretisiert, so dass viele Einzelheiten nach wie vor bundesweit umstritten seien. Ein weiterer Streitpunkt sei die Anrechnung von Einkommen auf das Arbeitslosengeld II. Gerade in Berlin gebe es viele Menschen, die wegen geringer Einkommen ergänzende "Hartz IV"-Leistungen beziehen.

Zahl der Richter wurde erhöht

Das Berliner Sozialgericht hatte im Juni den 70.000. "Hartz IV"-Fall im laufenden Jahr registriert. Es handelte sich um eine Untätigkeitsklage. Eine Berliner "Hartz IV"-Empfängerin hatte Widerspruch gegen eine Entscheidung des Jobcenters eingelegt, über den nach drei Monaten noch nicht entschieden war. Inzwischen holte das Jobcenter die Entscheidung nach und erklärte sich bereit, die Anwaltskosten zu bezahlen, die im Gerichtsverfahren entstanden.

Um die Verfahren in den Griff zu bekommen, wurde die Zahl der Richter auf 103 erhöht, weitere Stellen werden geschaffen. Allein in diesem Jahr sollen insgesamt 40 neue Richter kommen; vor 2005 gab es lediglich 59 Sozialrichter. Trotzdem dauert ein durchschnittliches Hartz-IV-Verfahren ein gutes Jahr.

Angesichts der vielen Klagen kritisierte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) vor wenigen Tagen die Hartz -IV-Gesetze als nicht praxistauglich und „vermurkst“. Sie kündigte an, dass die Länderjustizminister noch in diesem Jahr „wirksame Gesetzesverbesserungen“ erarbeiten wollen. In Berlin erhalten rund 560.000 Menschen in 310.000 Haushalten Leistungen nach Hartz IV. (ho/Tsp/ddp)

Bis Juni klagten 70.000 Berliner gegen die Hartz-IV-Gesetze, im vergangenen Monat kam eine Rekordzahl an Verfahren hinzu. Mehr als jeder Zweite erzielt einen Erfolg. Sind die Gesetze "vermurkst ", wie Berlins Justizsenatorin klagt? Diskutieren Sie mit!

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