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Rot auf weiß: Sozialsenatorin Bluhm hätte den in dieser Woche veröffentlichten Mietspiegel der Senatsverwaltung gerne schon früher gesehen.

© Mike Wolff/TSP

Reaktion auf gestiegene Wohnkosten: Sozialsenatorin will höheren Zuschuss für Hartz-IV-Mieter

Die steigenden Mieten in Berlin setzen zehntausende Hartz-IV-Haushalte unter Druck. Sozialsenatorin Bluhm drängt darauf, die Regelsätze an den Mietspiegel anzupassen. Aber die Stadt muss sparen.

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Die Mieten in Berlin steigen – und das bringt immer mehr Hartz-IV-Empfänger in Bedrängnis: Bereits bei 66 000 von Hilfen abhängigen Haushalten in der Stadt übersteigt die Miete die sogenannten Richtwerte, also die maximal von den Jobcentern genehmigungsfähigen Beträge, die beispielsweise bei einem Ein-Personen-Haushalt bei 378 Euro liegen. Zwar bezahlen die Ämter vorübergehend auch höhere Mieten. Zunehmend drängen sie aber die Hartz-IV-Empfänger dazu umzuziehen. Die Mieten erhöhten sich im Vergleich zu 2009 um 7,9 Prozent.

Bei der Vorstellung des neuen Mietspiegels 2011 am Montag hatte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) keinen Anpassungsbedarf gesehen. Die Senatsverwaltung für Soziales sieht das anders: „Wir gehen davon aus, dass die Richtwerte über alle Wohnungsgrößen erhöht werden müssen“, sagte Sprecherin Anja Wollny. Eine Arbeitsgruppe im Senat berät gegenwärtig über das Thema. Der Senat will noch vor der Wahl im September eine Rechtsverordnung erlassen, die nicht vom Parlament verabschiedet werden muss.

Dem Vernehmen nach hätte Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) von ihrer Amtskollegin Junge-Reyer die Eckwerte des Mietspiegels gern vor der Vorstellung erfahren, damit mit der Erarbeitung der neuen Richtwerte schon vorher hätte gestartet werden können. Das Thema birgt aber weiter rot-rotes Konfliktpotenzial.  Auch die Senatsverwaltung für Finanzen sperrt sich dem Vernehmen nach aufgrund der angespannten Haushaltslage des Landes gegen eine Anhebung der Sätze. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) muss wegen der drohenden Haushaltsnotlage bis 15. Oktober dem Stabilitätsrat von Bund und Ländern ein Sanierungsprogramm vorlegen. Nußbaum kündigte wegen der Schuldenbremse an, dass bis 2020 der jährliche Ausgabenanstieg auf 0,3 Prozent begrenzt werden müsse. Das hält die Opposition ohnehin für unrealistisch.

Die Jobcenter oder Sozialämter in Berlin zahlen die Miete von rund 586 000 Berlinern in 327 000 Einzelhaushalten oder Familien. Die Kosten für die Unterkunft betrugen im vergangenen Jahr rund 1,44 Milliarden Euro. Beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), deren Mitglieder 40 Prozent aller Mietwohnungen besitzen, heißt es: „Die Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung bestätigen auch die Erfahrungen der Landesarmutskonferenz Berlin“. Die Umzugsaufforderungen gegen ALG-II-Empfänger seien 2010 deutlich gestiegen. „Eine Anhebung der Regelsätze für die Kosten der Unterkunft für ALG-II-Empfänger ist überfällig“, sagte Maren Kern, BBU-Vorstandsmitglied.

Die Mietkostenübernahmen sind ein wesentlicher Grund für Klagen am Sozialgericht. Die alte Rechtsverordnung war in den vergangenen Jahren für die Richter nicht verbindlich, da sie lediglich eine Verwaltungsvorschrift war. In jedem Einzelfall musste dann geprüft werden, ob die Miete nach den Kriterien des Bundessozialgerichts – Orientierung am Mietspiegel, Festlegung der Wohnungsgröße und gesonderte Ausweisung der Heizkosten – wirklich korrekt berechnet war.

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