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Mietrecht: Sozialwohnungen als Renditeobjekte

Neue Investoren profitieren beim Kauf von Sozialwohnungen und verlangen bei der Neuvermietung einen zu hohen Preis - zum Nachteil vieler Mieter. Die wollen jetzt klagen, doch die Rechtsprechung ist noch unklar.

Hans-Joachim Gellwitzki klingt gar nicht kämpferisch, eher verhalten, wenn er dieses Wort benutzt, was angesichts der Lage ein bisschen altmodisch klingt: Gerechtigkeit. Der Berliner Fachanwalt für Mietrecht hat ein Ziel: Das „Damoklesschwert Kostenmiete“ soll entschärft werden. Denn nach dem Wegfall der Anschlussförderung können Vermieter von Sozialwohnungen Kostenmieten von 12 bis 20 Euro pro Quadratmeter verlangen oder ihre Mieter innerhalb kürzester Zeit dazu zwingen, aus der Wohnung auszuziehen. Das allgemeine Mietrecht gilt hier nicht. Für insgesamt 28 000 Wohnungen in 713 Objekten hat der Senat im Jahr 2003 die Subventionen gestrichen. Seitdem und noch bis 2016 fallen jedes Jahr tausende Wohnungen aus der Förderung. Die Folge: Insolvenzen und Zwangsversteigerungen.

Das machen sich findige Investoren zunutze. Der heutige Verkehrswert der Immobilien liegt meist deutlich unter den damaligen Baukosten. Die Differenz zwischen Kaufpreis und Kostenmieten kann der Investor als Gewinn einstreichen. Anwalt Gellwitzki kennt solche Fälle: „Die Herstellungskosten lagen beispielsweise bei zehn Millionen Euro, der Kaufpreis beträgt aber nur noch vier Millionen. Trotzdem setzt der neue Eigentümer die Kostenmiete nach den ursprünglichen Herstellungskosten an, obwohl er diese Bewirtschaftungskosten gar nicht hat.“

Pikant ist: In vielen der Häuser, in denen es im vergangenen Jahr drastische Mietsteigerungen gab, wie im Fanny-Hensel-Kiez, dem nördlichen Kreuzberg und Schöneberg, haben nicht Alteigentümer aus finanzieller Not heraus die Miete erhöht, sondern Investoren. „Den Mieterhöhungen ging fast immer eine Insolvenz voraus, in deren Zuge die Immobilien verkauft wurden“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Nach Auskunft der Investitionsbank Berlin (IBB) wurden bis November vorigen Jahres 86 Immobilien zwangsversteigert. Zu Verkäufen führe man keine Statistik. Baustaatssekretärin Helga Dunger-Löper hatte kürzlich auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Brauner (CDU) eingeräumt, dass durch die hohen Spannen zwischen Kaufpreisen und Kostenmieten für Investoren Kapitalrenditen von über 50 Prozent „in Ausnahmefällen“ möglich seien.

Hier sieht Anwalt Gellwitzki nun Chancen für die Mieter. Denn nach seiner Rechtsauffassung darf der Vermieter im Sozialen Wohnungsbau keine Profite erwirtschaften, sondern nur die Miete verlangen, die seine Kosten deckt. Eigenkapital darf mit maximal 6,5 Prozent verzinst werden. „Dass hier Immobilien als Schnäppchen erworben werden, ist meines Erachtens vom Gesetz her nicht gewollt“, sagt Gellwitzki. Bekäme er Recht für seine Mandanten, könnten die Investoren nur noch eine Kostenmiete auf Basis ihrer tatsächlichen Kosten vom Mieter verlangen. Exorbitante Mieterhöhungen, die gar den Auszug von Mietern zur Folge haben, wären damit passé.

Macht der Senat also die Profite der Investoren erst möglich? Diese Vorwürfe weist der Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung, Mathias Gille, zurück: „Wir haben rechtlich keine Möglichkeit, einzugreifen.“ Man beruft sich auf den „Einfrierungsgrundsatz“ der II. Berechnungsverordnung, wonach der Verkauf eines Hauses sich nicht auf die Höhe der Kostenmiete auswirkt. „Die Höhe des Kaufpreises ist (…) für die Berechnung der Kostenmiete berechnungsrechtlich unerheblich“, heißt es dementsprechend in der Antwort ans Abgeordnetenhaus.

Anwalt Gellwitzki sieht das im Gesetz nicht eindeutig geregelt: „Dieser Grundsatz wurde zum Schutz der Mieter eingeführt, weil man damals von steigenden Kaufpreisen ausging.“ Ein hoher Kaufpreis sollte sich nicht in Mietsteigerungen umsetzen lassen. Der „Sonderfall Berlin“ sei ja aber gerade andersherum. Klagewillige Mieter müssen jedoch einen langen Atem mitbringen. Beim Weg durch die Instanzen könnten gut zwei Jahre vergehen. Mit ungewissem Ausgang: „Es gibt zu dieser speziellen Frage noch keine Rechtsprechung.“

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