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Berlin: Später Durchbruch im Tarifstreit – mehr Freizeit, weniger Geld

Chef-Gespräch mit Erfolg: Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit rissen die Initiative im öffentlichen Dienst an sich

Überraschender Durchbruch bei den festgefahrenen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Senat und Gewerkschaften starteten gestern auf höchster Ebene einen letzten Versuch, doch noch zu einem Abschluss zu kommen – und verkündeten am späten Abend einen ersten Erfolg. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Bsirske hatten die Verhandlungsführung an sich gezogen. Nach 22 Uhr traten sie dann erschöpft, aber einigermaßen stolz vor die Presse: Mehr Freizeit, weniger Geld – so lautete die erste grobe Formel, auf die man sich verständigt hatte. Konkrete Ergebniss sollten dann in der Nacht erarbeitet werden.

„Es wird Einschnitte geben, aber auch ein Gegengewicht“, sagte Verdi-Chef Bsirske. „Wir geben Freizeit“, ergänzte Wowereit. Im Prinzip werde der bundesweite Abschluss im öffentlichen Dienst übernommen, betonte der Verdi-Chef. In Potsdam hatten sich die öffentlichen Arbeitgeber und die Gewerkschaften im Januar auf eine Gehaltserhöhung in Höhe von 4,4 Prozent in mehreren Schritten bis 2005 geeinigt. Die Berliner Lösung könnte nun im Wesentlichen in einer Reduzierung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich liegen. Das war schon Gegenstand der Solidarpaktgespräche im vergangenen Herbst.

Beide Seiten hatten vor Beginn der Gespräche im Roten Rathaus betont, dass sie zu einem positiven Ergebnis kommen wollten, um damit den tariflosen Zustand zu beenden. Dann wurde zäh verhandelt. „Die Materie ist schwierig“, sagte Wowereit während einer kurzen Pause nach fünfstündiger Verhandlung am Abend.

Vor allem die Gewerkschaften standen nach der Niederlage der IG Metall am vergangenen Wochenende unter Druck, nicht eine weitere Tarifrunde zu verlieren. Der bisherige Verhandlungsführer auf Berliner Gewerkschaftsebene, Roland Tremper, sagte allerdings, dass es Gespräche über die Beteiligung Wowereits und Bsirskes schon vor dem Wochenende gegeben habe. Gleichwohl standen die Gewerkschaften unter Zeitdruck, zumal Wowereit vor einer Woche angekündigt hatte, die Verhandlungen bis zu den an diesem Donnerstag beginnenden Sommerferien zu beenden – mit oder ohne Einigung. „Wir müssen in dieser Tarifauseinandersetzung auch die Bundesebene im Blick haben. Da fällt es Bsirske wesentlich leichter als uns, den gordischen Knoten durchzuschlagen“, sagte der Verdi-Bezirksgeschäftsführer, der bislang gemeinsam mit Innensenator Ehrhart Körting auf der Senatsseite die Verhandlungen führte. Diese wurden nötig, nachdem der Senat im Januar aus den Arbeitgeberverbänden ausgetreten war und deswegen den bundesweiten Tarifabschluss nicht übernehmen musste.

Seit gut einem halben Jahr hatte der Tarifstreit keine Annäherung zwischen dem Senat auf der einen Seite und den drei Gewerkschaften Verdi, GdP und GEW auf der anderen Seite gebracht. Während der Senat auf Nullrunden bis zum Jahr 2006 und deutlichen Einschnitten bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die rund 100 000 Arbeiter und Angestellte bestand, hatten die Gewerkschaften für die kommenden vier Jahre lediglich angeboten, auf die Einkommenssteigerungen zu Gunsten von mehr Freizeit und einer Beschäftigungsgarantie zu verzichten.

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