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Berlin: SPD und Grüne rücken bei Schulpolitik zusammen

Kritik zeigt Wirkung – PDS-Modell „Einheitsschule“ bekommt Konkurrenz Gymnasien sollen bleiben, Real- und Hauptschulen fusionieren

Die Linkspartei will eine Schule für alle, die SPD verteidigt neuerdings die Gymnasien – und die Grünen zeigen schon mal, wie der Kompromiss zwischen beiden Parteien aussehen könnte: „Zweigliedrigkeit“ heißt das neue Zauberwort, dass die Brücke zu den bürgerlichen Wählern schlagen soll. Denn „Zweigliedrigkeit“ bedeutet, dass die Gymnasien erhalten bleiben. Und daneben gäbe nur noch eine weitere Schulform, die dann Real-, Haupt- und einen Teil der Gesamtschüler umfassen würde. So jedenfalls sagt es das neue Konzept der Grünen, das nicht nur die eigene Klientel verblüffte.

Noch vor Kurzem hatten die Grünen – genau wie die Linkspartei und die SPD – vehement für die Gemeinschaftsschule gestritten, die auch gern als „Einheitsschule“ tituliert wird. Je näher die Wahl rückte, desto stärker wurden aber die Absetzbewegungen. Den Anfang machte Klaus Wowereit (SPD) mit seinem Versprechen, die Gymnasien zu schonen. Und wenig später kamen auch die Grünen mit der Botschaft, dass die Gemeinschaftsschule nur „Fernziel“ sei. Zur Begründung hieß es: „Wir nehmen das Wahlverhalten vieler Eltern für das Gymnasium als Willensbekundung ernst.“

Nicht alle Grünen waren von diesem Bekenntnis begeistert. Allerdings blieben große Proteste der Parteilinken aus, um erstens die bürgerlichen Wähler zu gewinnen und sich zweitens der SPD als Koalitionspartner anzuempfehlen. Und diese Rechnung scheint aufzugehen. Denn auch in der SPD mehren sich die Stimmen für eine sanfte Reform der Schulstruktur. Zumindest die Abschaffung der Hauptschulen ist kaum noch umstritten. Von da aus ist es auch nicht mehr weit zur Verschmelzung von Real- und Gesamtschulen zu einer neuen Schulform, die es in anderen Ländern schon als „Oberschule“ oder „Sekundarschule“ gibt.

Den ersten Schritt in der SPD hin zu einer solchen kleinen Reform haben die Neuköllner Genossen unternommen. In ihrem Wahlprogramm fordern sie, dass die Hauptschule „perspektivisch“ abgeschafft werden müsse; das viergliedrige Schulsystem habe sich „überlebt“. Allerdings lassen sie offen, ob die Hauptschulen erst auslaufen oder vorzeitig fusionieren sollen, und was die Fusion von Realschulen und Hauptschulen für die Gesamtschulen bedeutet. Und ob es in den fusionierten Schulen spezielle Klassen für Hauptschüler geben soll.

Trotz dieser offenen Fragen gibt es jetzt viel Zustimmung für solche Strukturüberlegungen. Auch der SPD-Bildungsfachmann Karlheinz Nolte sagte gestern, die Sekundarschule könne ein Kompromiss sein – und zwar „nicht unter wahltaktischen, sondern unter pädagogischen Gesichtspunkten“.

Das aber nehmen FDP und CDU weder den Sozialdemokraten noch den Grünen ab. Nachdem sich beide Parteien lange für die Einheitsschule positioniert hätten, sei der aktuelle „Schwenk unseriös und verlogen“, ärgert sich Mieke Senftleben (FDP). Auch CDU-Bildungsexpertin Eva-Maria Kabisch wundert sich über die Kehrtwende. Sie findet, statt über Fusionen zu diskutieren, solle man die Hauptschulen lieber stärken – durch mehr Lehrer und mehr Berufsorientierung. Allerdings gibt es auch in der CDU Sympathien für die Zweigliedrigkeit, seit FU-Präsident Dieter Lenzen diese Reform in seiner Studie „Bildung neu denken“ propagiert hatte.

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