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Berlin: SPD wollte Matthae absetzen

Als sich der Politiker umbrachte, hatte der Landesvorstand der Partei bereits beschlossen, ihn als Geschäftsführer zu suspendieren

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es war bereits beschlossene Sache: Der SPD-Landesgeschäftsführer Andreas Matthae, der am Sonntag Selbstmord beging, sollte sein Amt verlieren. Gegen seine Geschäftstätigkeit als Kneipenwirt standen so schwere Vorwürfe im Raum, dass Matthae als „hoher Repräsentant der SPD“ seiner Partei geschadet hätte, hieß es in SPD-Kreisen. Deshalb habe der Landesvorstand Matthae am Sonnabend – in Abwesenheit – suspendiert und wollte ihm für Montagmittag ein Gespräch anbieten. Die Entbindung vom Amt sei unvermeidbar gewesen.

Auf der Sitzung, die der Vorbereitung einer Klausurtagung des SPD-Landesvorstands am 21. August diente, habe der SPD-Landes- und -Fraktionschef Michael Müller den engeren Führungszirkel über das angeblich unlautere, möglicherweise strafwürdige Geschäftsgebaren Matthaes informiert. Als Pächter der Restaurants „Piccolo“ und „Weinbotschaft“ in der Reinhardtstraße soll er hohe Schulden aufgehäuft, Rechnungen nicht bezahlt und Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt haben. Bevor Matthae am 21. Juni zum Landesgeschäftsführer berufen wurde, hatte er Müller ausdrücklich versichert, dass mit beiden Kneipen „alles in Ordnung“ sei. Aber vor acht Tagen bekam die SPD-Spitze konkrete Hinweise, offenbar von Betroffenen, die das Gegenteil belegten und sich durch anschließende Nachforschungen bestätigen ließen. „Es hätte wohl nicht mehr lange gedauert, bis der Staatsanwalt gekommen wäre“, verlautete aus der SPD.

SPD-Chef Müller und Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler versuchten daraufhin, Kontakt mit Matthae aufzunehmen, der sich am Dienstag vergangener Woche in der SPD-Parteizentrale krank gemeldet hatte und offenbar nur noch von Nachbarn und Kneipenfreunden gesichtet wurde. Alle Kontakt-Versuche, über Telefon, SMS, Fax und E-Mail, schlugen fehl. Auch Gaebler, der mit Matthae befreundet war, gelang es nicht, ein Treffen zu arrangieren. Wie berichtet, fand Gaebler den Politiker am Sonntag erhängt in dessen Privatwohnung in Prenzlauer Berg. Offizielle Stellungnahmen will die Berliner SPD nicht mehr abgeben. „Andreas Matthae ist tot, sollen wir ihm noch Dreck hinterher werfen?“, fragte der SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. Gezwungenermaßen sucht der SPD-Landeschef Müller jetzt einen neuen Landesgeschäftsführer.

Was für den erst 35-jährigen Matthae letztlich ausschlaggebend war, seinem Leben ein Ende zu bereiten, bleibt unklar. Zu dem drohenden Verlust der beruflichen und politischen Existenz, verschärft durch finanzielle Probleme, kamen möglicherweise Beziehungsprobleme hinzu. Der Lebensgefährte Matthaes war vor ein paar Wochen ausgezogen. SPD-Genossen haben gestern erneut bestätigt, dass er niemandem in der Partei seine Probleme anvertraut hat. Vielleicht habe er sich sehr geschämt für sein Versagen. Was im Abschiedsbrief steht, wurde nicht bekannt. Matthae war manchmal psychisch labil und depressiv. So ging es ihm nach der Bundestagswahl 2002, als er das Direktmandat an den Grünen Christian Ströbele verlor, wochenlang sehr schlecht. Auch an Freitod hatte er offenbar schon gedacht.

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