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Berlin: Spiel deine Rolle, und du hast Erfolg

Der „nette Schwiegersohn“ Claus Biederstaedt wird am Sonnabend 75

„Ich hab’ mich nie vor Arbeit gedrückt“, sagt Claus Biederstaedt und lässt wie zum Beweis seinen Keuchhusten die Kehle hinaufgrollen. Dieser Husten, das hört man, wurde durch den Genuss wer weiß wie vieler Zigaretten hart erarbeitet. „,Ach, du lieber Geist’ läuft noch bis zum 14. September im Theater am Kurfürstendamm, das ist wahr. „Aber ich werde danach nicht aufhören“, sagt er, als hätte man ihm Kapitulation vorgeworfen und hustet noch einmal mit Nachdruck.

Dann hebt er wieder an mit seiner vertraut klingenden Stimme, die ihm selbst und den synchronisierten Marlon Brandos oder James Garners in Kinofilmen Gehör verschafft hat. „Wenn man 57 Jahre geschauspielert hat, dann kann man nicht von heute auf morgen aufhören.“ Er will nur ein wenig kürzer treten, nicht mehr alles spielen, vor allem nicht mehr so viele Tourneen. Im vergangenen Jahr hat er sich etwas übernommen und das auch gespürt. Immerhin wird Biederstaedt am Sonnabend 75 Jahre alt.

Kein Grund, von der Bühne Abschied zu nehmen. Das kommt einem auch nicht in den Sinn, wenn man den Schauspieler vor sich sitzen sieht. Biederstaedt gestikuliert, appelliert, diskutiert fast pausenlos. Er ist ein echter Typ, ein Charmeur, wie es ihn nur noch selten gibt, mit funkelnden Augen und engagiertem Auftreten. Nur wenn er über seine Filme wie „Die Christel von der Post“ redet, wirkt Biederstaedt nahezu emotionslos und bezeichnet sie abgeklärt als albern. „Nach dem Krieg wollten die Leute heile Welt, Schnulzen eben“, erzählt Biederstaedt. Der Theaterdarsteller rutschte in diese Kinowelt und berauschte sich an der Zuneigung der Menschen, die er sich mit einem schlichten Rezept erarbeitete. „Versuch bloß nicht, dich ständig zu ändern. Spiel deine Rolle, und du hast Erfolg“, riet ihm Willi Fritsch. Biederstaedts Rolle war der nette Schwiegersohn, den spielte er bis in die Siebziger und hatte damit Erfolg.

Dann aber dachte er sich, das kann es doch nicht sein. „Wenn ich heute meine Filme sehe, habe ich keine Beziehung mehr zu diesem Herrn – auch wenn es vielleicht Ähnlichkeiten gibt.“ Kurz blitzt sein Lächeln auf, das ihn berühmt gemacht hat in 53 Filmen. Schließlich kehrte er dem Kino den Rücken und übers Fernsehen zurück zu seiner Leidenschaft, dem Theater. Wenn die Sprache darauf kommt, ist Biederstaedt wieder voll da. Keine Spur von Kapitulation. „Wer nicht mehr neugierig ist, hört auf zu leben“, sagt er. „Ich gehe mit weit aufgerissenen Augen durch die Stadt, will neue Dinge sehen.“

Deswegen zieht es ihn, der in einem bayerischen Dorf wohnt, immer wieder nach Berlin. Im Theater am Ku’damm wird Biederstaedt auch seinen 75. Geburtstag feiern. Ganz so groß wie 1955 wird die Party aber nicht werden. Bei den Dreharbeiten zu „Charleys Tante“ sei der halbe Boulevard voll mit Menschen gewesen. „Und von denen auf Händen getragen zu werden, habe ich sehr genossen“, erzählt Biederstaedt, während er mit weit aufgerissenen Augen auf den Ku’damm schaut.

Christian Hönicke

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