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Berlin: Spionage beim Essen: Wanze unterm Tisch

Völlig im Recht oder überempfindlich? Weil sie in einem italienischen Restaurant mit verdeckter Kamera gefilmt und Teile eines privaten Gesprächs mitgeschnitten wurden, streiten vier Amerikaner mit dem privaten Fernsehsender Sat.

Völlig im Recht oder überempfindlich? Weil sie in einem italienischen Restaurant mit verdeckter Kamera gefilmt und Teile eines privaten Gesprächs mitgeschnitten wurden, streiten vier Amerikaner mit dem privaten Fernsehsender Sat.1. "Wir halten unser Vorgehen für legitim", sagt die Sprecherin des Senders Kristina Faßler. Das Produktionsteam hatte das umstrittene Material nach eigenen Angaben im Restaurant vernichtet. Den Kandidaten wider Willen ist das nicht genug: Sie haben einen Anwalt eingeschaltet.

Am vergangenen Donnerstag war das Fernsehteam des Magazins "17:30 - Live aus Berlin" ausgezogen, um die Ehrlichkeit der Restaurantkunden zu testen. Nach einem Gelage im Restaurant "Treviso" sollte den Gästen in Prenzlauer Berg nur die Hälfte der Rechnung präsentiert und dabei ihre Reaktion getestet werden. In Bild und Ton. "Die erwartete Diskussion über Ehrlichkeit ist schon interessant", sagt Faßler.

Im "Treviso" waren der Chef und das Personal von Sat.1 eingeweiht worden. Die vier Freunde, die namentlich nicht genannt werden wollen, hatten in der überdimensionierten Fachwerk-Villa über der Schönhauser Allee für 20 Uhr einen Tisch bestellt. Als ein Kellner die Gruppe nach wenigen Minuten unter einem Vorwand an einen anderen Platz lotste, schöpften die Freunde noch keinen Verdacht. "Obwohl ich am neuen Tisch kurz eine Frau sah, die auf den Knien hockte und irgendwas unter dem Tisch fummelte."

Etwa eineinhalb Stunden vergingen. Die Freunde, alle vier Journalisten, hatten sich lange nicht gesehen: Sie sprachen über Privates, Berufliches und Vertrauliches. Dann fiel ihnen ein paar Tische weiter eine Vierergruppe auf, die ganz offensichlich über sie redete und immer wieder zu ihnen hinüberblickte. "Wir machten unsere Witze: Wo ist das Mikrofon?", sagt einer. Eher aus Spaß habe er schließlich unter den Tisch gegriffen und dort dann aber tatsächlich eine eingeschaltete Wanze entdeckt. Der nächste Griff galt dem Handy, und die Auskunft seines Rechtsanwalts sei eindeutig gewesen: "Das ist äußerst illegal."

Es kam zum Eklat. Die Amerikaner beschwerten sich erst beim Geschäftsführer und nahmen sich dann den zuvor auffälligen Vierer-Tisch vor. Die Sat.1-Sprecherin kann die Aufregung nicht recht nachvollziehen. Das eingesetzte Mikrofon sei über eine Fernbedienung regulierbar und sollte erst beim Zahlen "hochgedreht" werden. Die Amerikaner hatten ihre Rechnung aber noch nicht einmal bestellt. "Und trotzdem waren auf dem Tape etwa zehn Minuten von unserem Gespräch mitgeschnitten", sagen die gefilmten Gäste. Die einzelnen Stimmen und der Gesprächsinhalt seien "deutlich zu verstehen" gewesen.

Die Diskussion zog sich über fast eine Stunde hin: Der Redakteur wollte die Kassette nicht herausgeben, weil darauf bereits eine einverstandene Kandidatenrunde gespeichert sei, gab aber schließlich eine handschriftliche Erklärung ab. "Hiermit bestätige ich, dass das von Ihnen erstellte Film- und Tonmaterial nicht veröffentlicht wird und in Ihrer Anwesenheit vernichtet wird", steht darin. Anschließend drückte der Fernseh-Journalist einige Knöpfe und erklärte das Material für gelöscht.

Die Sprecherin des Senders sagt, dass Spiele mit verdeckter Kamera eben "zum Leben dazugehören". Doch die Amerikaner wollen den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen. Schreiben an Sat.1 und die Medienanstalt seien in Vorbereitung. Eine Entschuldigung verlangen die Kamera-Opfer auch vom Besitzer des Lokals. "Was ist das für ein Wirt, der seine Gäste auf Ehrlichkeit testen will?" Am Donnerstagabend war man sich im Restaurant offenbar keiner Schuld bewusst. "Wir haben jedenfalls den vollen Preis bezahlt", sagt einer der Amerikaner.

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