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Berlin: Sprachtest unmöglich: Geistig Behinderter nicht eingebürgert

Bezirksamt verweigert einem schwerstkranken Iraner wegen mangelnder Sprachkenntnisse den deutschen Pass

Von Hans Monath

Vor 15 Jahren floh die dreiköpfige Familie Arabzadeh aus Teheran nach Deutschland. Vater, Mutter und Sohn wurden als Asylberechtigte anerkannt, die beiden Eltern erwarben später die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihrem Sohn aber, dem heute 21-jährigen Mohsen Arabzadeh Hejazi, verweigert das Spandauer Bezirksamt die Einbürgerung. Mohsen ist zu hundert Prozent geistig behindert. Deshalb, so das Amt, könne er die vom Ausländergesetz vorgeschriebene Sprachprüfung nicht bestehen – und folglich nicht eingebürgert werden. Seine Eltern hatten die Sprachprüfung problemlos bestanden.

Mohsen, der bei seiner Geburt durch Sauerstoff-Mangelversorgung schwer geschädigt wurde, beherrscht auch in seiner Muttersprache Farsi nur etwa 40 bis 50 Wörter. In der Ablehnung des Einbürgerungsantrages für ihn schrieb eine Sachbearbeitern an die Eltern: „Ihr Sohn vermag aufgrund einer körperlichen und geistigen Behinderung die Bedingungen der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse nicht zu erfüllen.“ Ein Widerspruch gegen die Ablehnung wurde prompt zurückgewiesen. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, findet dieses Vorgehen der Behörde so ungeheuerlich, dass sie zu extrem harten Worten greift: „Das ist ein Fall jenseits der Vorstellungskraft, das ist ein Fall von Selektion“ – Selektion nannten die Nazis bei Ankunft der Juden im KZ das Auswählen derjenigen, die sofort vergast werden sollten.

„Es kann doch nicht wahr sein, dass ein Mensch mit Behinderung in dieser Gesellschaft weniger wert ist“, empört sich Roth. Die Grünen-Politikerin ist überzeugt, dass die Behörde anders hätte entscheiden können, sieht aber auch eine Gesetzeslücke im Ausländerrecht. Sie fordert, im Gesetzestext künftig unmissverständliche Ausnahmeregelungen für Behinderte bei den Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft festzuschreiben.

Hassan Arabzadeh Hejazi, der den Lebensunterhalt seiner Familie als Taxifahrer verdient, beschreibt die Wirkung der Behördenentscheidung so: „Es ist, als wenn zwischen uns und unserem Sohn eine Mauer stünde.“ Ihn beruhigt auch die Frage, ob Mohsen, der laut seinem Vater Pflege und Aufmerksamkeit „wie zehn Kinder“ verlangt, ohne deutsche Staatsbürgerschaft Nachteile erleiden könnte, wenn die Eltern einmal tot sind.

Roth möchte jetzt einen „Aufstand der Herzen gegen eine gnadenlose Bürokratie“ entfachen – und hat bereits die Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche bei der Bundesregierung alarmiert. Doch auch dem Chef der Spandauer Behörde ist mittlerweile aufgefallen, dass der Bescheid der Einbürgerungsstelle menschlich kaum zu verantworten ist. „Ich bin derjenige, der ihn einbürgern möchte“, versicherte Stadtrat Axel Hedergott (SPD), als der Tagesspiegel ihn nach dem seit Monaten anhängigen Fall befragte. Freilich betont der Bezirkspolitiker, die Behörde habe „nach Gesetzeslage richtig entschieden“. Deshalb strebt Hedergott nun eine Entscheidung von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) an. Noch am gestrigen Donnerstag wollte er einen siebenseitigen Brief mit der Bitte um eine Ausnahme an den Senator abschicken, sagte er dem Tagesspiegel. Weil der Stadtrat ähnlich wie die Menschenrechtsbeauftragte Roth eine Gesetzeslücke sieht, will er notfalls auch Innenminister Otto Schily (SPD) einschalten. „Ohne eine Entscheidung von höchster Stelle drehen wir uns im Kreise“, so Hedergott.

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