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Berlin: St. Gertrauden-Krankenhaus: Beten, arbeiten und heilen

Ist dies die Lobby eines großen Hotels oder der Vorraum einer katholischen Kirche? Die Eingangshalle des Sankt Gertrauden Krankenhauses in Wilmersdorf verspricht beides: Die großzügige Drehtür trägt Besucher vor einen langen Service-Counter.

Ist dies die Lobby eines großen Hotels oder der Vorraum einer katholischen Kirche? Die Eingangshalle des Sankt Gertrauden Krankenhauses in Wilmersdorf verspricht beides: Die großzügige Drehtür trägt Besucher vor einen langen Service-Counter. Die Wände sind marmorverkleidet. Dass die vor 70 Jahren gegründete Klinik in den vergangenen zehn Jahren für 250 Millionen Mark vom Dach bis in den Keller modernisiert wurde, ist schon auf den ersten Metern nicht zu übersehen. Aber das Krankenhaus ist auch ein Kloster: Glasmosaike zeigen die Namensgeberinnen des Katharinenordens und des Hauses, die Heilige Katharina und die Heilige Gertrud. Eine Flügeltür führt in die Krankenhauskapelle. Und gelegentlich macht sich eine der Ordensschwestern aus ihrer Klausur auf den Weg in eine der Stationen.

Die Gründung des Krankenhauses in Berlin war einem Zufall zu verdanken, erzählt Klinikoberin Schwester M. Ursula. 1928 besuchte die damalige Generaloberin der Kongregation die Berliner Katharinen-Schwestern, die seit 1908 in der Pfarrgemeinde Corpus Christi ansässig sind. Gerade war ein großes Projekt des traditionell in der Kranken- und Kinderpflege tätigen Ordens gescheitert: Die Gründung eines Krankenhaues im heimatlichen Königsberg. Mit den dortigen Stadtoberen war eine Einigung über den Bau nicht möglich.

In Berlin begegnete Oberin Winefrida dem Architekten Hermann Brunning und entschloss sich spontan, in Wilmersdorf zu bauen. Brunning hatte für die katholische Kirche in Berlin schon zahlreiche Gemeinde- und Krankenhäuser entworfen. Als Bauplatz bot sich ein großes Areal zwischen Paretzer- und Detmolder Straße, das auch genügend Platz für die Landwirtschaft der Ordensschwestern bot.

Sankt Gertrauden wurde nach nur 15-monatiger Bauzeit am 4. November 1930 eröffnet: Ein viergeschossiger Komplex mit Haupthaus und zwei Seitenflügeln mit Platz für bis zu 700 Patienten und über 1000 Mitarbeitern, die Fassade rot geklinkert und hell verputzt. Äußerlich hat sich wenig geändert, die Skulptur der Heiligen Gertrud grüßt wie ehe und je über dem Portal an der Paretzer Straße. Das neue, 1990 eröffnete Bettenhaus, entstand - von außen fast unsichtbar - im Garten des Konvents.

Der Zufall erwies sich als Segen

Nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich die zufällige Krankenhausgründung in Berlin, fernab des Ursprungs im ostpreußischen Ermland, als Segen, sagt Oberin Schwester Ursula. Hunderte von Nonnen aus dem Osten fanden in dem Krankenhaus, das im Krieg nicht zerstört wurde, vorübergehend Zuflucht. Zeitweise lebten und arbeiteten bis zu 120 Katharinen-Schwestern in dem Krankenhaus-Konvent. Auf jeder Station waren zwei geistliche Stationsschwestern eingesetzt.

Ansonsten war und ist Sankt Gertrauden ein normaler moderner Berliner Krankenhausbetrieb. Das betont der Verwaltungsdirektor Konrad Schülke. Besonders stolz ist die Klinik auf die Neurochirurgie, die Augen- und die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Diese Kombination der drei "Kopffächer" sei in Berlin einmalig für einen frei-gemeinnützigen Krankenhausträger, sagt Schülke. Noch hat Sankt Gertrauden zwölf Fachabteilungen, darunter auch die Unfallchirurgie, die Frauenheilkunde und Geburtshilfe und die Innere Medizin.

Die Vielfalt des Allgemeinkrankenhaues ist bedroht. Der Senat will Sankt Gertrauden nur noch als Kiezkrankenhaus mit Erste-Hilfe-Station. Die Schließung, die die Gesundheitsverwaltung 1998 über die Klinik verhängen wollte, konnte abgewendet werden. Aber die Augen-, Gynäkologie- und Neurochirurgiestationen sollen nach dem Krankenhausplan von 1999 geschlossen werden. Von jetzt 510 Betten sollen nur noch 373 bleiben. Den endgültigen Schließungsbescheid erwartet die Klinikleitung in den nächsten Wochen. "Wir werden dagegen klagen - genauso wie Moabit", kündigt Schülke an.

Seit vielen Jahren sind die Ordensschwestern in Sankt Gertrauden sehr viel weniger präsent als in der Gründungs- und ersten Nachkriegszeit. Ende der vierziger Jahre pendelte sich ihre Zahl wieder bei sechzig ein. Viele Schwestern arbeiteten auch in der Küche, in der Bäckerei, in der Imkerei, im Gemüse- und Obstgarten, im Schweine- oder Hühnerstall. Bis in die achtziger Jahre hinein konnte sich das Konvent weitgehend selbst versorgen. Nachwuchsmangel und der Bau des neuen Bettenhauses setzten der Landwirtschaft aber ein Ende. Heute leben noch dreizehn Schwestern in Sankt Gertrauden.

Auch evangelische Gottesdienste

Seinen konfessionellen Charakter hat das Krankenhaus dennoch bewahrt. In der kleinen Kapelle halten die Krankenhausseelsorger regelmäßig Gottesdienste ab - katholische und evangelische. Auch die Schwestern stehen auf Wunsch für seelsorgerische Gespräche am Krankenbett zur Verfügung.

Eine Besonderheit ist auch der ehrenamtliche Hospizdienst. Engagierte Menschen leisten in dieser Gruppe Sterbebegleitung in der Klinik.

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