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St. Marien am Alex: Predigt eines Praktikers

Was dieser Mann am Kreuz soll, fragte die Frau, die vor Jahren zu Pfarrer Markus Dröge in die Gemeinde kam. Sie hatte als unbekümmerte Atheistin in der DDR gelebt, nun wollte sie Christin werden. Markus Dröge ist seit zwanzig Jahren Gemeindepfarrer.

Markus Dröge, ein kleiner, zarter Mann von 54 Jahren, stellte sich am gestrigen Sonntag in St. Marien am Alexanderplatz als dritter und letzter Kandidat für das Bischofsamt der evangelischen Landeskirche vor. Nach Rüdiger Sachau und Johanna Haberer, deren Erfahrung als Gemeindepfarrer eine Weile zurückliegen, sprach diesmal also ein Praktiker – eine wohltuende Abwechslung.

Der Predigttext des gestrigen Sonntags entstammt dem Johannesevangelium. Jesus ahnt, dass er bald sterben muss und erzählt das Gleichnis vom Weizenkorn: Wenn es nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.

Jesus wurde gekreuzigt, damit „aus seinem Tod neues Leben erwächst, für uns“, interpretierte Dröge das Gleichnis. Jesus habe sich nicht gewehrt, er sei freiwillig in den Tod gegangen, um zu zeigen, dass Gott gerade dort sein will, wo Menschen unschuldig leiden. An unseren Maßstäben gemessen sei Jesus’ Lebensbilanz „eher bescheiden“ ausgefallen: keine Karriere zu Lebzeiten, dürftige Lebensqualität, früher Tod. „Aber auch ein Leben, das fragmentarisch bleibt, hat seine Würde vor Gott und den Menschen“, sagte Pfarrer Dröge. Das sei wichtig zu wissen, gerade für uns heute, die „wir uns oft in die Enge gedrängt fühlen von den Erwartungen, die an uns gestellt werden, persönlich und als Kirche und von Entwicklungen, die wir kaum steuern können“.

Damit das Weizenkorn aufgehe, dürfe man als Christ aber nicht nur reden, sondern müsse handeln, sich kümmern – „nicht aus Angst, sondern aus der befreienden Liebe Christi“. Das Engagement der Kirche für die, die am Rand der Gesellschaft stehen, ist dem Pfarrer aus Koblenz sehr wichtig. Vermutlich hat er all dies auch jener Frau gesagt, die ihn damals fragte, wer denn der Mann am Kreuz sei. Er wisse es nicht mehr genau. Einige Zeit später habe er sie getauft. Das Weizenkorn ist aufgegangen.

Wie die anderen Kandidaten sollte auch Markus Dröge Stellung beziehen zum Reformprozess, den Bischof Huber für die Landeskirche angestoßen hat. Es sei gut, dass dieser Prozess in Gang gekommen sei, sagte Dröge, der als Superintendent im Rheinland Erfahrungen mit Reformen gesammelt hat. Er vermisst aber den spirituellen Aufbruch. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, da würden „betriebswirtschaftliche Managementmethoden empfohlen, die schleichend einen anderen Geist in die Kirche tragen“. Die Gemeinden müssten stärker einbezogen und die spirituelle Vielfalt bewahrt werden. Auch komme das soziale Engagement und die Ökumene im Reformprozess zu kurz.

Nach dem Applaus zu urteilen, den die Kandidaten nach ihren Bewerbungsgottesdiensten bekommen haben, scheint Johanna Haberer in der Gunst der Kirchenparlamentarier vorne zu liegen. Die Theologin von der Uni Nürnberg-Erlangen erhielt als Einzige Szenenapplaus. Offen ist, ob ihr Auftritt in St. Marien entscheidend sein wird. Im Mai wird gewählt. Es bleibt spannend.

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